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Verbesserter Rechtsschutz in Sicht

Um den Rechtsschutz steht es schlecht in der Schweiz, die meisten Menschen und KMU sind von der Justiz faktisch ausgeschlossen. Das heutige Zivilprozessrecht setzt die Hürden für einen Prozess derart hoch an, dass meist nur Grossunternehmen und Begüterte das Risiko eines Verfahrens eingehen können. Mit seinen Änderungsvorschlägen für die schweizerische Zivilprozessordnung (ZPO) lanciert heute der Bundesrat einen Schritt in die richtige Richtung.

Wer es als Konsumentin oder Konsument nicht schafft, seine Ansprüche gegenüber den Anbietern aussergerichtlich durchzusetzen, hat schlechte Karten. Die Gerichtskosten sind dermassen hoch, dass sie den Streitwert in der Mehrzahl der Fälle übersteigen. Nur die Grossunternehmen und die Reichen können es sich leisten, ihre Ansprüche gerichtlich durchzusetzen. Die Ohnmacht lässt viele am Rechtsstaat (ver-)zweifeln.

Durch sein Engagement im Dieselgate-Klageprojekt gegen VW und Amag kennt der Konsumentenschutz die Mängel der ZPO sehr gut: Die Rechtslage ist prekär. Ein Konzern wie Volkswagen kann sich darauf verlassen, dass er für unlautere Machenschaften dank hoher Hürden des Zivilprozessrechts nicht zur Rechenschaft gezogen wird.

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Doch da ist Licht am Ende des Tunnels: Heute legt der Bundesrat endlich einen Entwurf für die ZPO-Revision vor. Den Anstoss hierfür gab 2011 eine Motion der Konsumentenschutz-Präsidentin Prisca Birrer-Heimo. Drei Jahre dauerte es, bis das Parlament dem Bundesrat den Auftrag erteilte, die ZPO zu revidieren. Und noch einmal ganze vier Jahre benötigte dieser, um heute mit seiner Botschaft die Vernehmlassung zu eröffnen. Immerhin: Der vorliegende Entwurf hat das Zeug dazu, den Rechtsschutz für die Konsumenten und die Gewerbler zu verbessern.

Kurz gefasst sind folgende Verbesserungen vorgesehen: Die Gerichtskosten werden halbiert und der Kläger muss das Insolvenzrisiko des Beklagten nicht mehr tragen. Nach der heutigen Regelung ist nämlich der Beklagte verpflichtet, dem siegreichen Kläger den Gerichtskostenvorschuss zurückzuerstatten. Ist der Beklagte aber insolvent, bleibt der Kläger gemäss der heutigen Regelung auf  den Gerichtskosten sitzen. Neu soll wieder der Staat den einbezahlten Kostenvorschuss an den Kläger zurückerstatten. Unter anderem wird das bestehende Verbandsklagerecht mit einer Klage auf Schadenersatz ergänzt und Konsumenten und KMU erhalten bei Massenschäden die Möglichkeit, mit einem mutmasslichen Schädiger einen kollektiven Vergleich auszuhandeln.

Es ist zu erwarten, dass die Grosskonzerne gegen den Vorschlag Sturm laufen, denn nur Kundschaft, die sich nicht wehren kann, ist für sie vorteilhafte Kundschaft. Dabei ist bei näherer Betrachtung der Vorschlag auch für Grossunternehmen vorteilhaft, zumindest für solche, die sauber arbeiten: Redlich handelnde Unternehmen sind im Wettbewerb benachteiligt gegenüber gewissenlosen Konkurrenten. Diese profitieren von rechtswidrig erlangten Gewinnen, weil die Kunden sie nicht gerichtlich zurückfordern können.

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