Fragen zu Konsum oder Recht? Hier finden Sie über 400 Antworten

Migros Entscheid Nutri-Score: Doppelter Rückschritt für die Konsumenten

Der politische Druck und der Widerstand von Produzenten zeigen leider Wirkung. Der Konsumentenschutz kritisiert den Entscheid der Migros, den Nutri-Score nicht weiterzuführen. Dies ist ein grosser Rückschlag für eine leicht verständliche Information über den Nährwertgehalt von verarbeiteten Lebensmitteln und somit für eine gesündere Lebensmittelwahl in der Schweiz. Nicht verständlich ist insbesondere,  dass die Migros nicht den EU-Entscheid zum Nutri-Score abwartet und auf die irreführenden Portionengrössen setzen will.

Über 40 Prozent der Schweizer Bevölkerung ist übergewichtig, fast jedes sechste Kind ist betroffen. Der Nutri-Score ist ein wichtiger Hebel bei der Bekämpfung von Übergewicht und ungesunder Ernährung.

Lobbying und Scheinargumente haben gewirkt

Der Widerstand dagegen ist in den letzten Jahren allerdings unverständlicherweise massiv gewachsen. Mit vielen polemischen und auch falschen Argumenten wurde die Nährwertkennzeichnung diskreditiert. Insbesondere von Kreisen der Landwirtschaft, Lebensmittelproduktion und -Industrie war der Widerstand gross. Eine Motion, welche im Frühjahr im Parlament angenommen wurde, zeugt vom massiven Lobbying der Hersteller.

Umso mehr bedauert der Konsumentenschutz, dass die Migros sich nach drei Jahren diesem Druck beugt und den Nutri-Score fallen lässt.

Portionengrösse ist kein Ersatz für den Nutri-Score

Neben Nestlé ist die Migros das grösste Unternehmen, das sich in der Schweiz mit dem Nutri-Score für eine einfache und transparente Produktinformation entschieden hat. Dass die Migros in Zukunft nicht nur auf den Nutri-Score verzichten, sondern der Angabe der Portionengrösse mehr Gewicht beimessen will, ist eine doppelt schlechte Nachricht. Denn gerade solche Angaben sind für die Konsumentinnen und Konsumenten verwirrend.

Migros greift EU-Entscheid vor

Für den Konsumentenschutz ist auch nicht nachvollziehbar, wieso die Migros nicht den Entscheid der EU bezüglich einer Nährwertkennzeichnung abwartet. Etliche Länder wie Frankreich, Deutschland, Spanien, die Niederlande, Belgien, Luxemburg und erst vor kurzem auch Portugal haben sich für den Nutri-Score entschieden. Der Konsumentenschutz zählt darauf, dass aus der EU ein positives Signal für den Nutri-Score erfolgt und fordert, dass die Migros auf ihren Entscheid zurückkommt.

Mit dem Nutri-Score hat man kein perfektes Werkzeug zur Hand – ein solches ist in einem so komplexen Thema wie der Ernährung schlichtweg nicht möglich. Es ist jedoch ein wissenschaftlich fundiertes und leicht verständliches Hilfsmittel, das bei der gesünderen Lebensmitteauswahl eine grosse Unterstützung ist.

Konsumenten- und Gesundheitsorganisationen in der EU und in der Schweiz setzen sich seit vielen Jahren dafür ein, dass die Information über die Nährwerte von verarbeiteten Lebensmitteln besser wird. Denn für Konsumentinnen und Konsumenten ist ein Lebensmittels trotz Nährwertkennzeichnung auf der Rückseite des Produktes kaum einzuordnen.