Kräftemessen
Das Geschrei geht einem durch Mark und Bein und erlangt gleichzeitig mächtig Aufmerksamkeit. Interessiertes Publikum hat es meistens zur Genüge: In der Warteschlange vor der Kasse des Supermarktes werden Kräfte gemessen. Wer hat die überzeugenderen Argumente? Die erwachsene Person mit sachlich vorgetragenen Einwänden oder der kleine Knirps mit der schrillen, durchdringenden Stimme? Perfekt platziert erobern diverse süsse Verlockungen die volle Aufmerksamkeit der Kinder, welche ohnehin bereits Ermüdungserscheinungen vom vorangegangenen Einkaufsmarathon zeigen.
Einkaufen mit den Kleinen im Schlepptau ist eine Spitzenleistung. Und das Prüfstück folgt am Schluss: Bis endlich die eingekauften Waren bezahlt und verstaut sind, schwitzen Erwachsene in Begleitung mit kleinen – oder auch grösseren – Kindern vielfach Blut. Verständnisloses Kopfschütteln aus den Reihen der Wartenden, welche das Schauspiel der Tobsuchtsanfälle hautnah mitverfolgen können, garniert mit ermunternden Kommentaren wie: “Sowas hätte es also bei uns nie gegeben!” Braucht es noch weitere Ausführungen?
Die konfliktbelastete Schlüsselstelle beim Einkaufen könnte problemlos entschärft werden. Wir haben deshalb die beiden Grossverteiler angefragt, ob sie bereit wären, eine Kasse pro Laden einzuführen, die keine “Quengelware” anbietet. Folgendes haben wir als Antwort erhalten, liebe Eltern, Grosseltern, Tanten und Göttis:
- Coop plant momentan keine Einführung solcher Kassen. Die Zuständigen stützen ihre Antwort auf Studien und Umfragen, die zwei Aussagen zu Tage brachte: Einerseits wurden Befürchtungen geäussert, dass man an dieser Kasse länger warten müsste und andererseits “fühlen sich die Befragten dadurch in ihren erzieherischen Fähigkeiten in Frage gestellt”.
- Und die Verantwortlichen der Migros überlegen sich die Anfrage seit genau zwei Monaten – bisher steht eine Antwort aus.
Eine “Quengelware-freie” Kasse weist unseres Erachtens nur Vorteile auf: Eltern, die einfach keine Lust oder Zeit haben, ihre erzieherischen Fähigkeiten vor Publikum zu beweisen, könnten diese Möglichkeit wählen. Die anderen jedoch hätten weiterhin und auf freiwilliger Basis die Chance, die Kassen-Prüfung zu wagen.
Gehören Sie auch zu der – im Antwortschreiben von Coop erwähnten- Mehrheit, die eine solche Kasse entschieden ablehnen?
Sara Stalder
Geschäftsleiterin Stiftung für Konsumentenschutz