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Nestlé verabschiedet sich in der Schweiz vom Nutri-Score: Transparenz geht ganz verloren

Nestlé entfernt den Nutri-Score von den Produkten ihrer Schweizer Marken. Damit verabschiedet sich auch die letzte grosse Anwenderin auf dem Schweizer Markt vom Nutri-Score. Der Konsumentenschutz kritisiert diesen Entscheid, der dem Nutri-Score in der Schweiz den Rückhalt nimmt. Nestlé beweist mit dem Entscheid, dass es mit Eigenverantwortung der Produzentinnen und Grossverteiler allein nicht geht. Das sehen auch die Ärzt:innen hinter der kürzlich gestarteten Petition mehr Transparenz für eine bessere Gesundheit. Sie fordern, dass der Nutri-Score verbindlich auf allen Produkten angebracht werden muss.

Ziemlich genau vor einem Jahr gab die Migros bekannt, dass sie sich vom Nutri-Score verabschiedet. Jetzt gibt auch der Nahrungsmittelkonzern Nestlé den Nutri-Score auf – zumindest halb. Schrittweise wird Nestlé die Nährwertkennzeichnung wieder von den Produkten der Schweizer Marken wie Thomi, Cailler oder Leisi entfernen. Der Konsumentenschutz kann den Entscheid nicht nachvollziehen: Denn Nestlé behält den Nutri-Score auf den internationalen Marken weiterhin bei. Damit geht der letzte grosse Anbieter auf Distanz zu der hilfreichen Nährwertkennzeichnung. Nestlé wie auch die Migros waren wichtige Stützen für die Verbreitung des Nutri-Scores in der Schweiz. Nestlé nimmt mit diesem Entscheid dem Nutri-Score vollends den Wind aus den Segeln.

Heftiger Widerstand

Der Nutri-Score hat leider mit grossem Widerstand zu kämpfen: Er wird kritisiert, weil er zu sehr vereinfache oder zu komplex zu verstehen sei. Vor allem wird er jedoch von der Lebensmittelindustrie und von bäuerlichen Kreisen abgelehnt, die befürchten, dass mehr Transparenz und eine offene Bewertung zu Imageschäden und weniger Absatz führen würde. Dieser Widerstand gipfelte darin, dass letztes Jahr eine Motion im Parlament durchgesetzt wurde, welche dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) untersagt, sich weiter für den Nutri-Score einzusetzen.

Auch auf EU-Ebene ist der Widerstand heftig. Die EU schiebt den Entscheid, den Nutri-Score zur offiziell empfohlenen Nährwertkennzeichnung zu wählen, seit Jahren vor sich her. All das führt dazu, dass sich der Nutri-Score nicht wirklich durchsetzen kann. Dabei wäre eine Hilfestellung für eine ausgewogene Ernährung bitter notwendig: In der Schweiz sind mittlerweile 43 % der Erwachsenen und 15 % der Kinder übergewichtig oder sogar adipös. Auch zahlreiche Ärzt:innen sind davon überzeugt, dass der Nutri-Score aus gesundheitspolitischer Sicht notwendig ist: Sie fordern in einer Petition, den Nutri-Score obligatorisch zu machen, um durch Transparenz der besorgniserregenden gesundheitlichen Entwicklung entgegenzuwirken. Eine Forderung, welche der Konsumentenschutz schon lange stellt. Denn freiwillige Massnahmen führen nicht zum Ziel.

Migros und Nestlé wollen über die Angabe der Portionengrösse oder einer ausgebauten Information auf der Webseite den Wegfall des Nutri-Scores kompensieren. Das ist allerdings kein Ersatz. Hilfreich sind klare, vergleichbare Informationen auf den Produkten – eben das, was der Nutri-Score bietet.

Was ist der Nutri-Score?