Swissness – neue Ausnahmeregelung ab 2023

Bislang definierte der Bund, welche Rohstoffe in der Schweiz nicht ausreichend zur Verfügung stehen. Die Konsumentenorganisationen (Konsumentenschutz und die Westschweizer Konsumentenorganisation FRC) waren über eine Konsultationsgruppe ebenfalls involviert. Ab 1. Januar 2023 werden die Organisationen der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft selber die Verfügbarkeit von Rohstoffen festlegen. An diesen neuen Branchenmechanismus stellen die Konsumentenschutz-Organisationen klare Anforderungen.
Die Swissness-Gesetzgebung für Lebensmittel stellt definierte Anforderungen an Schweizer Produkte In einem Lebensmittel, welches als Schweizer Produkt ausgelobt wird, müssen grundsätzlich 80 % der Rostoffe aus der Schweiz stammen. Je nach Selbstversorgungsgrad eines Rohstoffes wird dieser Anteil nach unten abgestuft. Dieser Selbstversorgungsgrad wird vom BLW, basiert auf Daten von Agristat (statistischer Dienst des Schweizer Bauernverbandes) festgelegt. Bis jetzt konnten bei der Berechnung Rohstoffe ausgeklammert werden, welche aufgrund der technischen Anforderungen für einen bestimmten Verwendungszweck, oder vorübergehend in der Schweiz z.B. bei Ernteausfällen in ungenügender Menge verfügbar sind. Diese Rohstoffe mussten jedoch vom Bundesamt für Landwirtschaft überprüft und vom Bundesrat als Ausnahmen bewilligt werden.. Der Konsumentenschutz und die FRC waren in einer Konsultationsgruppe – zusammen mit den Branchen – in diesem Verfahren involviert. Da der Bundesrat diese Aufgabe den Branchen zuteilen wollte, wurde ein sogenannter Branchenmechanismus entwickelt und in Konsultation gegeben.
Keine Ausnahmen mehr
Auch die Konsumentenorganisationen waren bei der Erarbeitung involviert und haben Stellung dazu genommen. Sie haben darauf bestanden, dass das Verfahren transparent abläuft. Der neue Mechanismus ermöglicht es den Branchen nicht, Ausnahmen festzulegen, sondern lediglich den Selbstversorgungsgrad von Rohstoffen mit spezifischen Charakteristiken zu bestimmen.
Aus Sicht der Konsumentenorganisationen sind folgende Punkte von Bedeutung:
- Die Bewilligungen erfolgen für eine unbegrenzte Zeit, werden aber mindestens alle zwei Jahre überprüft. Zudem gibt es für betroffene Branchen die Möglichkeit, Anpassungen oder Aufhebungen zu verlangen.
- Es ist wichtig, dass auch die Konsumentinnen und Konsumenten Zugang zu den Informationen haben, welche Änderungen bewilligt wurden und welche nicht. Die entsprechende Liste muss die notwendigen Informationen aufführen und für die Konsumentinnen und Konsumenten sichtbar sein. Eine Veröffentlichung auf einer Website, welche kaum von den Konsumenten beachtet oder besucht wird, wäre unzureichend. Dieser Forderung wurde entsprochen, als auch jener zur Unabhängigkeit der entsprechenden Webseite.
- Es werden jeweils nicht nur die aktuelle Liste, sondern auch die früheren Veröffentlichungen zugänglich gemacht, so dass die Entwicklung verfolgt werden kann.
- Die Konsumentenorganisationen nehmen eine beobachtende Rolle ein und werden direkt informiert, wenn es Änderungen bei den Bewilligungen gibt.
Nicht aufgenommen wurde diese Forderungen:
- Aus Sicht der Konsumentenorganisationen wäre es sinnvoll gewesen, dass das Bundesamt für Landwirtschaft weiterhin in das Verfahren involviert bleibt. Dies hätte eine neutrale, unabhängige Sicht auf das Verfahren gewährleistet.
- Weiterhin ungelöst ist die Frage der Kontrolle der Produkte. Die aufwändige Swissness-Gesetzgebung wird im Bereich der Lebensmittel von den Kantonschemikern kaum kontrolliert. Dadurch, dass die Branchen eine grössere Rolle und mehr Spielraum erhalten, wird die Kontrolle noch wichtiger. Nach Meinung der Konsumentenorganisationen sollte dies unbedingt verbessert werden.
- Wir bedauern, dass für die Konsumentinnen und Konsumenten keine Verbesserung bezüglich Transparenz in dieser Verordnungsrevision vorgesehen wurde – etwa indem die Herkunftsangabe von importierten Zutaten in den Produkten verbessert wird. Neben Geschmack und Kosten (48 und 46 %) ist die Lebensmittelherkunft der Lebensmittel mit 70% das wichtigste Kriterium für den Kauf eines Lebensmittels (Umfrage zum Interesse an der Lebensmittelsicherheit und Risikowahrnehmung in der Schweiz, Demoscope, März 2021). Bei Schweizer Produkten, welche dennoch einen relativ hohen Importanteil enthalten können, ist Transparenz doppelt wichtig.
Die Änderungen der Swissness-Gesetzgebung (HasLV und HasLV-WBF) zur Implementierung des Branchenmechanismus wurden mit dem Entscheid des Bundesrats vom 18. Mai 2022 verabschiedet. Die Änderungen treten auf Anfang 2023 in Kraft.
Die Konsumentenorganisationen werden die Entwicklung aufmerksam verfolgen. Sie begrüssen auch, dass bis Ende 2026 ein Bericht erarbeitet werden soll, der die neue Regelung evaluiert.
Unter diesem Link finden Sie die Liste mit den Rohstoffen, welche in der Schweiz in ungenügender Menge vorhanden sind:
Rohstoff-Liste