Bundesgericht schützt Tickethändler Viagogo

2017 reichte das Seco Zivilklage gegen die Ticketverkaufsplattform Viagogo ein. Viagogo wurde die Verletzung von Lauterkeitsrecht vorgeworfen. In einem enttäuschenden Entscheid stützt das Bundesgericht nun den Entscheid des Zürcher Handelsgerichts, wonach Viagogo sich stets korrekt verhalten habe.
2017 reichte das Seco Zivilklage gegen die Ticketverkaufsplattform Viagogo ein. Viagogo wurde die Verletzung von Lauterkeitsrecht vorgeworfen: Irreführung des Konsumenten (weil auf der Plattform der Anschein erweckt werde, es handle sich um eine offizielle Vorverkaufsstelle) und Verstoss gegen die Preisbekanntgabevorschriften (weil die in Rechnung gestellt Gebühren während des Bestellvorgangs nicht oder zu wenig klar ersichtlich sind).
2018 reichte zudem die Fifa im Zusammenhang mit den Fussballweltmeisterschaften in Russland gegen Viagogo Strafanzeige ein. Hier wird ebenfalls ein Verstoss gegen Lauterkeitsrecht gerügt – wegen nicht erlaubtem, professionellem Vertrieb von Tickets.
Auch der Konsumentenschutz hat bereits verschiedentlich über die Problematik berichtet.
Lusches Geschäftsgebaren mit höchstrichterlichem Segen
In der Zivilklage des Seco hat im Dezember 2020 das Bundesgericht den Entscheid des Zürcher Handelsgerichts bestätigt (Bericht Espresso vom 4. Januar 2021). Demnach liegt kein täuschendes oder in anderer Weise gegen Treu und Glauben verstossendes Verhalten vor. Das Bundesgericht stützt insbesondere die Aussage des Handelsgerichts, wonach sich der Kunde inzwischen an branchenübliche Verknappungstricks und Erzeugen von Kaufdruck gewohnt habe. Dazu zählt dass ein kurzer Zeitcountdown angesetzt wird, bis die Tickets wieder aus dem Warenkorb verschwinden. Es könne somit keine Rede sein von besonders aggressiven Verkaufsmethoden.
Während des Klageverfahrens hatte Viagogo seine Homepage mit dem kleingedruckten Text «Wir sind der weltweit größte Sekundärmarktplatz für den Verkauf von Live-Event-Tickets. Die Preise werden von den Verkäufern festgelegt und können unter oder über dem Marktpreis liegen» ergänzt. Dieser Schachzug führte vermutlich zur Feststellung des Gerichts, der Kunde erhalte bei der Ticketbestellung nicht den Eindruck, er befände sich auf der Originalseite des jeweiligen Anbieters.
Auch die Tatsache, dass der Kunde durch einen komplizierten Bestellvorgang geführt wird, während dessen am linken Rand kleingedruckt ständig neue Gebühren hinzu kommen, stellt für das Bundesgericht offenbar kein Problem dar. Auch nicht dann, wenn der kurz vor Ablauf des Zeitcountdowns auf “Bestellen” klickt, weil er die Tickets nicht wieder freigeben will, obwohl ihm nicht bewusst ist, auf welche Höhe der Gebührenbetrag inzwischen angestiegen ist.
Auch kommt es zu Situationen, in welchen Viagogo personalisierte Tickets oder sogar gefälschte Tickets verkauft und der Konsument trotz teurem Ticketkauf eine Veranstaltung nicht besuchen kann, weil ihm bei der Eingangskontrolle der Einlass verweigert wird.
Dieses Urteil ist eine weitere herbe Enttäuschung für die Konsument*innen in der Schweiz, aber auch weltweit. Ein Anbieter, der offensichtlich mit Tricks und Intransparent agiert, kann sich jeder rechtlichen Verantwortung entziehen. Viagogo betreibt sein fragwürdiges Geschäftsmodell erfolgreich rund um den Globus.
Verhaltenstipps
Mittelfristig werden Kultur- und Sportveranstaltungen wieder möglich sein. Damit wird auch der Graumarkt wieder aufblühen. Für Konsument*innen heisst das neueste Urteil des Bundesgerichts, dass sie beim Kauf von Veranstaltungstickets über eine andere Plattform als der der offiziellen Verkaufsstellen detektivisch vorgehen müssen. Kleine Unaufmerksamkeiten können unter Umständen teuer zu stehen kommen. Bei besonders günstigen Angeboten für gefragte Events sollte man mittels Internetrecherche in Erfahrung bringen, ob es sich um die offizielle Verkaufsplattform handelt. Wird penetrant Druck erzeugt oder summieren sich irgendwelche Gebühren, ist Vorsicht geboten.
Schweizweite seriöse Zweitverkaufsplattform gefordert
Der Konsumentenschutz fordert seit langem, dass sich die Eventbranche zusammentut und gemeinsam eine offizielle Plattform auf die Beine stellt, über welche Konsument*innen unbenutzte Tickets sicher verkaufen oder kaufen können. Sobald seriöse Wiederverkaufskanäle vorhanden sind, wird unseriösen Anbietern automatisch das Wasser abgegraben.
Das UWG verschärfen anstelle zu verwässern
Offensichtlich reicht das aktuelle Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) nicht einmal aus, um gegen Akteure wie Viagogo vorzugehen. Anstatt zu Gunsten der Industrie die Preisbekanntgabeverordnung aufweichen zu wollen – wie politische Vorstösse dies vorsehen, wäre es höchste Zeit, das UWG entsprechend zu verschärfen. Der Konsumentenschutz setzt sich gesetzlichen Aufweichungsversuchen dezidiert entgegen.
Weitere Infos zum Thema im “Infosperber”-Artikel.