Wann ist ein Vertrag zustande gekommen und verbindlich?

Ob Kaufvertrag, Werkvertrag, Arbeits- oder Erbvertrag – allen Vertragsverhältnissen gemeinsam ist, dass sie nur durch den Austausch inhaltlich übereinstimmender Willenserklärungen zustande kommen. Ein Vertrag kann aber wegen Willensmängeln anfechtbar oder wegen Überschreitung rechtlicher Schranken nichtig sein. Der Konsumentenschutz erklärt die Rechtslage.
Sara Stalder, Geschäftsleiterin des Konsumentenschutzes, erklärt, wie ein Vertrag zustande kommt und wann ein Vertrag verbindlich ist.
Alles klar? Sara Stalder erklärt, unter welchen Bedingungen ein Vertrag nichtig oder anfechtbar ist.
Wie kommt ein Vertrag zustande?
Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit ein Vertrag überhaupt zustande kommt:
- Zum Abschluss eines Vertrages braucht es die übereinstimmenden gegenseitigen Willensäusserungen Antrag und Annahme (Art. 1 Abs. 1 OR). Die Willensäusserungen können auch stillschweigend erfolgen (Art. 1 Abs. 2 OR).
- Die Parteien haben sich über die wesentlichen Vertragspunkte, z.B. Leistung und Preis, geeinigt (vgl. Art. 2 OR).
- Verträge bedürfen nur dann einer besonderen Form, wenn das Gesetz eine solche vorsieht (vgl. Art. 11 OR). Informationen zum Vertragsabschluss durch Minderjährige siehe unten.
- Zudem müssen die Parteien geschäftsfähig, also volljährig und urteilsfähig sein (vgl. Art. 13 ff. ZGB).
Beachten Sie: Verträge können gültig zustande kommen und dennoch anfechtbar oder nichtig sein (siehe unten).
Auch ein mündlicher Vertrag ist gültig
«Ich habe nichts unterschrieben, also bin ich zu nichts verpflichtet», das ist ein weit verbreiteter Irrtum. Viele Konsument:innen gehen davon aus, dass ohne Unterzeichnung kein Vertrag abgeschlossen werden kann. Das Gegenteil ist jedoch der Fall: Mündliche Verträge sind grundsätzlich gültig.
Gemäss Art. 11 OR müssen Verträge keine besondere Form haben, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt. Die meisten Verträge können deshalb auch mündlich abgeschlossen werden (eine Ausnahme stellt z. B. der Grundstückskaufvertrag dar, dieser muss zwingend schriftlich sein). Aus Beweisgründen werden trotzdem viele Verträge schriftlich geschlossen, beispielsweise Miet- oder Arbeitsverträge. Ebenfalls als schriftlich gelten elektronische Dokumente mit einer qualifizierten elektronischen Signatur.
Folgendes Beispiel zeigt, wie leicht ein rechtsgültiger mündlicher Vertrag zustande kommen kann:
Anna zeigt Manuel ein Smartphone und sagt, dass sie es ihm für 150 Franken verkaufen möchte. Manuel schaut es sich an und sagt: «Sehr gerne, ich kaufe es.» Da die Voraussetzungen gemäss Art. 1 OR allesamt erfüllt sind, kommt ein gültiger und verbindlicher Vertrag zustande. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob sich die beiden bei dem Gespräch im gleichen Raum aufhalten oder ob sie telefonieren. Achtung: Weigert sich eine der Parteien später, den Vertrag einzuhalten, ist es für die andere aufgrund der fehlenden Schriftlichkeit schwierig, das Zustandekommen des Vertrags zu beweisen.
Und was gilt im Internet?
Bei Vertragsabschlüssen im Internet, beispielsweise beim Online-Shopping, gilt wie auch bei den mündlichen Verträgen: Eine Unterschrift ist nicht notwendig. Ein Vertrag kann durch den Austausch von elektronischen Nachrichten verbindlich abgeschlossen werden.
Meiden Sie deshalb unseriöse Online-Shops. Wie Sie beispielsweise sogenannte Dropshipping-Shops erkennen können, erfahren Sie in unserem Online-Ratgeber Dropshipping: Die Stolpersteine beim Onlinehandel mit Billigware aus China.
Können Minderjährige Verträge abschliessen?
Personen, die jünger als 18 Jahre alt sind, gelten als Minderjährige. Sie sind gemäss Gesetz beschränkt handlungsunfähig. Deshalb sind Verträge, die von Minderjährigen abgeschlossen werden, gemäss Art. 19 des schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB) nur schwebend wirksam, also nicht definitiv.
Der Grund dafür ist, dass Minderjährige grundsätzlich nur mit der Einwilligung ihrer gesetzlichen Vertreter (z.B. Eltern) Verträge eingehen können (Art. 19 Abs. 1 ZGB). Die Eltern können die Einwilligung vor oder nach dem Vertragsschluss geben. Sie müssen dies nicht ausdrücklich tun, sondern können den Vertrag auch durch entsprechendes Verhalten – stillschweigend – genehmigen.
Stimmen die Eltern dem Vertrag jedoch nicht zu, wird die Situation so behandelt, als wäre der Vertrag nie abgeschlossen worden: Beide Parteien können ihre Leistungen zurückfordern.
Ausnahme 1: unentgeltliche Verträge
Für unentgeltliche Verträge, welche dem Minderjährigen einen Vorteil bringen, ist keine Einwilligung der Eltern nötig (Art. 19 Abs. 2 ZGB).
Gibt sich eine minderjährige Person fälschlicherweise als volljährig aus, um den Vertrag abzuschliessen, so haftet sie gemäss Art. 19b Abs. 2 ZGB für den (finanziellen) Schaden, der daraus entsteht.
Ausnahme 2: eigenes Geld
Eine weitere Ausnahme sieht das Gesetz in Art. 323 Abs. 1 ZGB vor. Demnach können urteilsfähige Jugendliche über ihr Taschengeld oder den selbst verdienten Lohn alleine verfügen. Es handelt sich dabei um das sogenannte freie Kindesvermögen. In diesem Bereich können Jugendliche im «Taschengeldumfang» eigenständig verbindliche Rechtsgeschäfte abschliessen.
Vertragsschluss unter Verwendung von allgemeinen Geschäftsbedingungen, sogenannte AGB
Damit Unternehmen nicht mit allen Kund:innen einzeln einen spezifischen Vertrag aushandeln müssen, verwenden sie allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB). Das sind vorformulierte Vertragsklauseln, die zur Standardisierung und Konkretisierung von Massenverträgen dienen. Für Konsument:innen ist es wichtig zu wissen, worauf sie im Zusammenhang mit AGB achten sollten und wie sie mit nachteiligen AGB umgehen können.
Widerruf
Weit verbreitet ist der Irrtum, dass jeder Vertrag innert einer bestimmten Frist rückgängig gemacht werden kann. Vielmehr gilt in unserem Rechtssystem der Grundsatz «Verträge sind einzuhalten» (lateinisch: pacta sunt servanda). Es gibt Ausnahmen von diesem Grundsatz:
- Gewisse Verträge können Kund:innen unter klar definierten Bedingungen (geregelt in Art. 40a bis 40f e OR unter dem Titel «Haustürgeschäfte») mit einer Frist von maximal 14 Tagen widerrufen. Siehe dazu auch unseren Online-Ratgeber Rückgabe oder Umtausch – welche Rechte habe ich beim Kauf?
- Für Kreditgeschäfte (Konsumkredite, Leasing) und Partnervermittlungsverträge sieht das Gesetz ausdrücklich ein Widerrufsrecht vor.
- Für Privatversicherungen schreibt Art. 2a Versicherungsvertragsgesetz (VVG) seit dem 1. Januar 2022 ein 14-tägiges Rücktrittsrecht für die Konsument:innen vor. Dieses Rücktrittsrecht richtet sich nicht nach dem Obligationenrecht.
Merke: Es besteht kein generelles Widerrufsrecht bei Verträgen, die im Internet oder in einem Laden abgeschlossen wurden. Ausdrücklich ausgeschlossen vom Widerrufsrecht sind zudem Verträge, die an Messen abgeschlossen wurden. Achten Sie daher vor dem Kauf oder Vertragsabschluss darauf, ob die Anbieter:in ein Widerrufsrecht anbietet oder sich selbst herausnimmt.
Wann und wie lange ist ein Vertrag anfechtbar?
Besteht bei Vertragsabschluss ein sogenannter Willensmangel oder liegt eine Übervorteilung vor (siehe weiter unten), ist der Vertrag für die betroffene Person nicht verbindlich (sog. einseitige Unverbindlichkeit). Wichtig jedoch: Wer den Vertrag nicht halten will, muss dies dem Vertragspartner mitteilen. Der Vertrag ist nur ein Jahr lang anfechtbar, d.h. die Mitteilung muss innert eines Jahres, nachdem z.B. die Täuschung oder der Irrtum entdeckt bzw. die Furcht beseitigt worden ist, erfolgen. Wird er nicht angefochten, gilt der Vertrag als genehmigt (Art. 31 OR).
Achtung: Sobald kaufrechtliche Gewährleistungsrechte geltend gemacht werden, gilt der Vertrag ebenfalls als genehmigt und kann nicht mehr aufgrund eines Willensmangels angefochten werden. Dazu ein Beispiel: Funktioniert das neu gekaufte Handy bei Inbetriebnahme nicht korrekt und Sie verlangen und erhalten Ersatz dafür, so gilt der Vertrag und kann nicht mehr angefochten werden.
Willensmängel, die einen Vertrag anfechtbar machen
Ein Willensmangel liegt vor, wenn die abgegebene Willenserklärung (z.B. bei einem Vertrag) nicht dem tatsächlich Willen entspricht. Leidet der Vertrag an einem erheblichen «Willensmangel» einer Partei, so ist er unwirksam und für die betroffene Partei unverbindlich. Dies ist bei folgenden Konstellationen der Fall:
- Der wesentliche Irrtum (Art. 23 f. OR). Wesentlich ist ein Irrtum, wenn die betroffene Person beim Vertragsabschluss irrtümlicherweise von einer anderen Tatsache ausgegangen ist und sie den Vertrag andernfalls nicht abgeschlossen hätte.
- Beispiel: Jemand kauft ein gefälschtes Gemälde in der irrigen Vorstellung, dass es sich um ein Originalbild der Künstlerin handelt.
- Die absichtliche Täuschung (Art. 28 OR)
- Beispiel: Der Verkäufer verkauft einer Käuferin wissentlich einen Unfallwagen als unfallfrei.
- Die Furchterregung (Art. 29 f. OR)
- Beispiel: Wegen der Androhung einer Betreibung verpflichtet sich eine Person dazu, eine Darlehenssumme zurückzuerstatten.
Auch Übervorteilung macht einen Vertrag anfechtbar
Eine Übervorteilung (Art. 21 OR) liegt vor, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein offensichtliches Missverhältnis besteht und die Notlage, Unerfahrenheit oder der Leichtsinn der Benachteiligten ausgenutzt wurde.
- Beispiel: Jemand nutzt die finanzielle Notlage eines anderen aus, indem er diesem ein wertvolles Gemälde zu einem Spottpreis abkauft.
Wann ist ein Vertrag nichtig?
Es gibt rechtliche Schranken der grundsätzlichen Inhaltsfreiheit von Verträgen (vgl. Art. 20 OR). Ausserhalb dieser Schranken ist ein Vertrag nichtig resp. wirkungslos, das heisst, er ist gar nicht zustande gekommen. Auf der Grundlage eines solchen Vertrags kann gerichtlich kein Anspruch durchgesetzt werden.
Folgende Verträge sind nach Art. 20 OR nicht verbindlich, sondern nichtig:
- Verträge mit unmöglichem Inhalt (z.B. weil die Kaufsache bereits vor dem Abschluss des Kaufvertrags zerstört wurde)
- Verträge mit widerrechtlichem Inhalt (z.B. ein Drogengeschäft)
- Verträge mit sittenwidrigem Inhalt (z.B. wenn eine Partei vertraglich auf grundlegende Rechte, wie z.B. das Recht auf Privatsphäre oder auf Arbeitsentgelt, verzichtet)
Schreibservice Konsumentenschutz
Möchten Sie von einem ungültigen Vertrag zurücktreten, finden aber die richtigen Worte nicht? Wir verfassen Ihre Briefe und Reklamationen für Sie – juristisch korrekt und für wenig Geld!
Wir empfehlen
Benötigen Sie weitere Informationen? Vereinbaren Sie einen Beratungstermin: