Inkasso: Muss ich den Verzugsschaden bezahlen?
Wenn Sie sich mit der Zahlung für eine berechtige Forderung im Verzug befinden, hat Ihr Gläubiger das Recht auf Begleichung dieser Schuld. Zudem darf er Ihnen gemäss Gesetz einen Verzugszins von 5% pro Jahr berechnen (Art. 104 OR; wie der Verzugszins korrekt berechnet wird, erfahren Sie hier). Ein höherer Verzugszins, sowie Mahnspesen und andere Gebühren sind nur geschuldet, wenn Sie sie vertraglich akzeptiert haben (z.B. über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen AGB).
Oriana Gubinelli, Beraterin des Konsumentenschutzes, beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema Verzugsschaden.
Das Gesetz sieht vor, dass Verzugskosten in erster Linie durch die Verzugszinsen abgedeckt werden (Art. 106 Abs. 1 OR). Einen zusätzlichen Verzugsschaden darf Ihnen der Gläubiger nur berechnen, wenn er durch Ihren Zahlungsverzug tatsächlich einen zusätzlichen, konkret bestimmbaren finanziellen Schaden erlitten hat. Dies ist in den allermeisten Fällen nicht der Fall, zumindest nicht in der Höhe des üblicherweise geltend gemachten Schadens.
Ausserdem hat der Gläubiger eine Schadenminderungspflicht, das heisst er muss seinen finanziellen Aufwand möglichst klein halten. Wenn er z.B. ein Inkasso-Unternehmen (oder gar einen Anwalt) engagiert, verstösst er gegen diese Pflicht. Das Eintreiben von offenen Forderungen gehört zum normalen Geschäftsrisiko, entsprechende Kosten dürfen deshalb nicht dem Schuldner in Rechnung gestellt werden.
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Merke: Geschuldet sind Grundbetrag, Verzugszinsen und vereinbarte Mahnspesen / Gebühren. Weitere Schadenersatzforderungen muss der Gläubiger genau beziffern und belegen. Prüfen Sie die einzelnen Posten auf der Rechnung genau nach und bezahlen Sie nur, was Sie wirklich schulden.
Was tun, wenn Ihnen ein ungerechtfertigter Verzugsschaden berechnet wird
- Teilen Sie dem Inkasso-Unternehmen mit, dass Sie mit der Berechnung des Verzugsschadens nicht einverstanden sind und dass Sie diesen Betrag nicht bezahlen werden. Verwenden Sie dazu unseren Musterbrief.
- Zahlen Sie die ursprünglich geschuldete Summe, vereinbarte Mahnspesen bzw. Gebühren und die Verzugszinsen so schnell wie möglich.
Wie verhält es sich, wenn Zusatzforderungen (Verzugsschaden, Servicegebühren etc.) in den AGB des ursprünglichen Gläubigers aufgeführt werden?
In Absprache mit ihren Kunden, den Anbietern von Produkten und Dienstleistungen, versucht die Inkassobranche, ihre zusätzlichen Forderungen unter den Titeln Verzugsschaden oder Service- und Administrativgebühren mit einem Trick zu «legalisieren». Die Zusatzkosten werden kurzerhand zum Teil der AGB des ursprünglichen Gläubigers (Lieferant, Dienstleister) gemacht. Dazu wird regelmässig auf die AGB des Drittunternehmens (Inkassobüros) verwiesen, welches die Zahlungs- bzw. Inkassodienstleistungen erbringt. Dabei gilt es aber, Folgendes zu beachten:
- Ein blosser Verweis auf das Drittunternehmen und dessen AGB reicht nicht aus. Dessen AGB müssen unmittelbar zur Kenntnis gebracht werden, beispielsweise mit einem Link, durch den man direkt zu den AGB des Drittunternehmens (Fremd-AGB) gelangt.
- Diese Fremd-AGB müssen während des Bestellvorgangs ebenfalls explizit bestätigt werden.
- Auch besteht die Möglichkeit, dass einzelne Passagen der Fremd-AGB in den AGB des ursprünglichen Anbieters oder Unternehmens direkt untergebracht werden.
Nur wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, können solche Zusatzforderungen überhaupt Vertragsbestandteil werden.
Aber Achtung: Auch dann sind solche Beträge nur geschuldet, wenn sie nicht übermässig sind. Sie müssen deshalb nicht nur klar beziffert, sondern auch nachvollziehbar sein sowie in einem vernünftigen Verhältnis zur Grundforderung stehen. Gerade in den häufigen Fällen des Verzugsschadens oder der Administrativgebühren ist diese Voraussetzung aber jeweils nicht erfüllt. Deshalb können diese Forderung auch dann angefochten werden, wenn sie grundsätzlich Teil des Vertrages geworden sind.
Das Inkasso-Unternehmen droht mit einer Betreibung
In manchen Fällen sehen die Inkasso-Unternehmen nach einem solchen Brief und der Bezahlung der rechtmässigen Forderungen von weiteren Schritten ab. Es kommt jedoch auch vor, dass sie weiterhin Druck machen und sogar mit einer Betreibung drohen. Lassen Sie sich nicht einschüchtern und bezahlen Sie nicht geschuldeten Verzugsschaden nicht. Auch das Bundesgericht hat Verhaltensweisen und Druckversuche von Inkassobüros bereits für unzulässig erklärt, z.B. in diesem Entscheid aus dem Jahr 2017.
Es wurde eine Betreibung gegen mich eingeleitet
Es liegen uns einzelne Fälle vor, in denen Inkasso-Unternehmen eine Betreibung eingeleitet haben. Aber spätestens, wenn die Betroffenen Rechtsvorschlag erheben, ist nach unserer Erfahrung Schluss.
Wichtig:
- Sie müssen innert 10 Tagen Teil-Rechtsvorschlag für den Betrag erheben, mit dem Sie nicht einverstanden sind. Ansonsten kann das Inkasso-Unternehmen die Betreibung ohne weiteres fortsetzen lassen (d.h. beispielsweise die Pfändung einleiten).
- Unterschreiben Sie keine Ratenzahlungsvereinbarung oder andere Dokumente, durch welche Sie die Schuld anerkennen. Damit können die Inkasso-Unternehmen Ihren Rechtsvorschlag vor Gericht beseitigen.
Ich werde ungerechtfertigt betrieben - was tun?
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