Fairer Zugang zur Justiz für alle? Nicht in der Schweiz
Trotz offensichtlichem Handlungsbedarf hat der Ständerat heute die Vorlage zum kollektiven Rechtsschutz endgültig versenkt, ohne überhaupt darüber zu debattieren. Für Konsument:innen und KMU bleibt der Zugang zum Recht blockiert.
Bereits vor über zwölf Jahren stellte der Bundesrat in einem Bericht klar: Bei Fällen mit vielen betroffenen Personen oder Unternehmen besteht eine Gesetzeslücke. Sie können nicht gemeinsam klagen, für Einzelne ist ein Gerichtsverfahren aber zu teuer und riskant. Abhilfe schaffen könnten Gruppenklagen, bei denen sich Geschädigte zusammenschliessen.
Verzögern, vertagen, verweigern
Zwölf Jahre lang haben die Konsumenten-Organisationen Konsumentenschutz, ACSI und FRC für die Einführung von Gruppenklagen gekämpft. Der parlamentarische Prozess wurde aber immer wieder verzögert, indem neue Abklärungen und Berichte verlangt wurden. Obwohl diese keine negativen Auswirkungen aufzeigen, hat der Ständerat heute der Vorlage eine endgültige Absage erteilt. Besonders stossend: Das Parlament wollte den Gesetzesentwurf nicht einmal diskutieren.
«Die Arbeitsverweigerung des Parlaments ist inakzeptabel.», kritisiert Nadine Masshardt, Stiftungsratspräsidentin des Konsumentenschutzes: «Anstatt sich mit der Vorlage auseinanderzusetzen, wurde mit abstrusen Argumenten jede Mitarbeit verweigert. Obwohl der Handlungsbedarf offensichtlich ist, verzögert die Politik eine Lösung seit über zwölf Jahren. Konsument:innen bleiben auf sich allein gestellt.»
Leidtragende sind Konsument:innen und KMU
Missbräuchliche Praktiken von Konzernen bleiben ohne kollektive Rechtsmittel unbestraft – die Kosten tragen die Geschädigten. Auch für Unternehmen besteht dringender Bedarf: Weil in der Schweiz keine Gruppenklagen möglich sind, haben sich kürzlich über 400 Schweizer Hotels einem Verfahren in den Niederlanden gegen die Buchungsplattform Booking.com angeschlossen. Der Fall zeigt: Betroffenen bleibt derzeit nur der mühsame Weg ins Ausland, dessen Erfolg jedoch ungewiss ist.
Konsumenten-Organisationen kämpfen weiter
Das Parlament hat heute eine Tür für die Gruppenklage vorerst zugeschlagen. Die Konsumentenschutz-Organisationen geben jedoch nicht auf und prüfen bereits neue Wege, um Gruppenklagen zum Durchbruch zu verhelfen. Das Ziel bleibt klar: Der Zugang zur Justiz muss für alle möglich sein.
