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Halbtax, GA & Co. – was geschieht mit den SBB Abos?

Die kürzlich geführte Diskussion um die Zukunft des Halbtax-Abos hat für viel Verunsicherung gesorgt. Klar ist inzwischen: Das Halbtax bleibt, wird im neuen Tarifsystem «myRide» aber anders daherkommen. Der Konsumentenschutz sieht bei «myRide» weiterhin unklare Punkte. Diverse Antworten der für die Ticketgestaltung zuständigen Branchenorganisation Alliance SwissPass sind bisher vage.

Smart-Abo statt Halbtax?

Mit «myRIDE» folgt die Alliance SwissPass dem Trend zur Digitalisierung und passt das Preissystem entsprechend an. Gleichzeitig sollen die Preise vereinfacht und besser auf individuelle Mobilitätsbedürfnisse ausgerichtet werden. Dafür ist vorgesehen, dass Passagiere grundsätzlich ihre Fahrten per Smartphone aufzeichnen. Beim Ein- und Aussteigen muss jeweils in einer App die Reise gestartet und beendet werden, wie bereits heute mit EasyRide. Die Kosten werden variabel sein, denn sie hängen von der Anzahl der Fahrten und der zurückgelegten Strecke ab. Geplant sind drei Modelle:

  • Basismodell: Kund:innen ohne Abo bezahlen den Vollpreis für ihre Fahrten, wie bisher bei Einzeltickets. Die künftigen Tarife werden jedoch nicht identisch mit den heutigen sein, sondern sich nach der effektiv zurückgelegten Distanz richten. Zonenpreise im Regionalverkehr fallen also weg. Ob die Einstiegspreise gleichbleiben, ist derzeit offen. Abgerechnet wird jeweils täglich.
  • Smart-Abo: Gemäss Alliance SwissPass wird dieses Abo das bisherige Halbtax ersetzen und Zugang zu einer «vergünstigten Preiskurve» bieten. Hinzu kommt ausserdem ein Bonussystem: Je häufiger Kund:innen innerhalb eines Monats fahren, desto höher fällt der Rabatt aus. Abgerechnet wird monatlich. Ob die Preisreduktionen tatsächlich dem bisherigen Halbtax-Niveau entsprechen, ist jedoch unklar.
  • Flat-Abo: «Die bewährten Generalabonnements (GAs) wird es auch weiterhin geben», bestätigt Philipp Bosshard, Mediensprecher der Alliance SwissPass, auf Anfrage des Konsumentenschutzes Mitte Oktober 2025. Künftig sollen sie vermutlich unter dem neuen Namen «Flat-Abo» angeboten werden. Noch unklar ist jedoch, ob dieses Abo wie bisher unbegrenzte Fahrten zum Pauschalpreis ermöglichen wird.

Wie sich die Preise in Zukunft gestalten werden, ist generell noch offen. Laut Philipp Bosshard hängt das wie bereits heute von politischen Entscheidungen und der Kostenentwicklung im öffentlichen Verkehr ab. Bereits seit Frühling 2024 läuft ein öffentlich zugänglicher Feldtest, bei dem ein Prototyp des neuen Preissystems «myRIDE» genutzt werden kann.

Vereinfachung ja – aber nicht auf Kosten der Kund:innen

Der Konsumentenschutz begrüsst die Absicht, das komplizierte Tarifsystem zu vereinfachen, kritisiert jedoch neben der unklaren Preisgestaltung auch weitere Mängel in der bisherigen Umsetzung:

  • Fehlende Transparenz: Ein Algorithmus soll künftig die monatlichen Rabatte berechnen. Vor jeder Fahrt wird zwar der aktuelle Preis inklusive möglicher Vergünstigungen angezeigt, der Endpreis kann sich aber im Nachhinein noch ändern. Denn je mehr Kund:innen im Monat fahren, desto höher fallen die Rabatte aus. Dadurch kann die gleiche Strecke zu unterschiedlichen Zeiten, für unterschiedliche Kund:innen unterschiedlich viel kosten: Das Prinzip «eine Fahrt, ein Preis» wird aufgelöst. Die Preisbildung wird dadurch weniger nachvollziehbar, nicht vergleichbar und versteckte Preiserhöhungen könnten leichter umgesetzt werden.
  • Digitale Barrieren: Das neue System erfordert in der Regel ein Smartphone mit aktivierter Trackingfunktion. Wer kein passendes Gerät oder keine Bankkarte hat – etwa Kinder, ältere Menschen oder Personen mit Beeinträchtigungen – wird ausgeschlossen und kann nicht von Rabatten profitieren.
  • Datenschutzbedenken: Personendaten, Bewegungsprofile, Adress- und Zahlungsdaten werden weiterhin erfasst. Anonymes Reisen ist mit der «myRIDE» Testversion nicht möglich. Die Alliance SwissPass verspricht jedoch Ende Oktober 2025: «Wer anonym reisen will, kann das heute und wird es auch morgen können. Das ist das klare Versprechen der öV-Branche und zudem der grundsätzliche Auftrag des BAV»
  • Quersubventionierung: Um Gelegenheitsfahrer:innen und Autofahrer:innen zu gewinnen, könnten diese künftig von tieferen Preisen profitieren. Als Ausgleich dafür müssten womöglich Pendler:innen mehr bezahlen, was auf eine indirekte Quersubventionierung hinauslaufen würde.

Die Alliance SwissPass hat vor Jahren angekündigt, Lösungen für diese offenen Fragen zu entwickeln, konkrete Vorschläge dazu wurden bislang jedoch nicht veröffentlicht.

Einbeziehen statt überrollen

Der Konsumentenschutz ruft die ÖV-Branche dazu auf, die Bedürfnisse der Bevölkerung ernst zu nehmen. Ein modernes Tarifsystem darf nicht zulasten von Transparenz, Datenschutz und Zugänglichkeit gehen. Mobilität in der Schweiz muss für alle offen und fair bleiben.

Im November wird die Alliance SwissPass über das weitere Vorgehen informieren. Der Konsumentenschutz erwartet dabei konkrete Antworten auf seine langjährigen Forderungen. Auch künftig wird er sich mit Nachdruck für einen sozialverträglichen öffentlichen Verkehr einsetzen.