Neues Heilmittelgesetz: Verbesserungen und verpasste Chancen
Nach zähem Ringen um die letzten strittigen Punkte haben sich National- und Ständerat vergangene Woche auf den von der Einigungskonferenz vorgelegten Kompromiss geeinigt und die Reform des Heilmittelgesetzes abgeschlossen. Damit stehen verschiedene Veränderungen im Medikamentenmarkt an. Aus Sicht der Patienten und Prämienzahler bietet das neue Gesetz einige Verbesserungen. Gleichzeitig wurde aber die Chance verpasst, sinnvolle und wirksame Regeln für Versandapotheken und gegen Korruption zu beschliessen.
Nachfolgend eine Auswahl der beschlossenen Anpassungen:
- Listenverschiebung: Künftig können gewisse verschreibungspflichtige Medikamente auch ohne Rezept in einer Apotheke bezogen werden. Rezeptfreie Arzneimittel dürfen neu in Drogerien und unbedenkliche Medikamente sogar im Detailhandel verkauft werden. Für Konsumenten ist dieser Angebotszuwachs von Vorteil.
- Rezeptpflicht: Grundsätzlich müssen Ärzte neuerdings bei jeder Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ein Rezept ausstellen, ausser Patienten verzichten darauf, etwa weil sie das Medikament direkt beim Arzt beziehen möchten. Dies ist eine pragmatische Lösung. Sie ermöglicht den Patienten, bei Bedarf ein Rezept entgegenzunehmen und das Medikament beim Leistungserbringer ihrer Wahl (z.B. Apotheke) zu besorgen. Wenn Patienten Medikamente direkt beim Arzt beziehen, muss aber kein unnötiger Aufwand betrieben werden. Allerdings wird entscheidend sein, ob sich Ärzte im Alltag wirklich an ihre Pflicht halten und ungefragt Rezepte ausstellen, anstatt Medikamente immer direkt abzugeben.
- Vereinfachte Zulassung: Komplementärmedizinische Arzneimittel oder Medikamente, die bereits seit mindestens zehn Jahren in einem EU- oder EFTA-Land zugelassen sind, sollen künftig einfacher zugelassen werden können. Solange die bisherigen Qualitätskriterien beibehalten werden, ist dies eine sinnvolle Regelung. Dadurch vergrössert sich das Angebot von qualitativ guten Arzneimitteln in der Schweiz. Um zu verhindern, dass dies zu einer Mengenausweitung und höheren Kosten führt, muss das Bundesamt für Gesundheit (BAG) künftig die Spezialitätenliste (SL), welche bestimmt ob ein Medikament von der obligatorischen Krankenversicherung bezahlt wird, unbedingt regelmässig überprüfen. Medikamente, welche die Aufnahmebedingungen für die SL nicht erfüllen, müssen konsequent von der Liste gestrichen werden.
- Unterlagenschutz: Die Pharmaindustrie hat es einmal mehr geschafft, sich über die Anpassung der gesetzlichen Grundlagen höhere Einnahmen zu sichern. Der Unterlagenschutz für Medikamente gegen seltene Krankheiten wird auf 15 Jahre ausgedehnt. Wenigstens konnte Schlimmeres verhindert werden: Es gibt auch weiterhin kein Monopol auf Medikamente gegen seltene Krankheiten.
- Korruption: Unter welchen Umständen dürfen Leistungserbringer Geschenke, Rabatte und anderen Zuwendungen entgegennehmen und wieviel davon müssen sie weitergeben? Um diese Frage wurde lange und hart gestritten. Schliesslich hat man sich auf einen Kompromiss geeinigt: Die neuen Richtlinien gelten nur für rezeptpflichtige Medikamente, nicht aber für andere Arzneimittel oder Medizinprodukte (z.B. Gehhilfen oder Prothesen). Der Bundesrat kann aber für diese ebenfalls Einschränkungen beschliessen. Aus Sicht der SKS ist dies eine unbefriedigende Situation. Es sollte selbstverständlich sein, dass jegliche Zuwendungen, welche Leistungserbringer im Rahmen der medizinischen Versorgung und Pflege erhalten, transparent deklariert und an die Patienten beziehungsweise an die Prämienzahler weitergegeben werden müssen. Nun ist es am Bundesrat, dies sicherzustellen.
- Antibiotikadatenbank: Um besser gegen die Entstehung von antibiotika-resistenten Keimen vorgehen zu können, wird eine Antibiotikadatenbank geschaffen. Antibiotika-Resistenzen sind eine sehr ernste Bedrohung unserer Gesundheit, welche unbedingt bekämpft werden muss. Entsprechend ist dies ein dringend notwendiger Schritt.
- Versandapotheken: Leider hat es das Parlament verpasst, im Rahmen dieser Reform sinnvolle Regeln für Versandapotheken aufzustellen. Damit bleibt es bei der heutigen unbefriedigenden Situation: Während rezeptfreie Arzneimittel grundsätzlich ohne Rezept bei ausländischen Versandapotheken bestellt und importiert werden dürfen, ist dies bei Schweizer Versandapotheken verboten. Bei diesen muss auch für eigentlich rezeptfreie Arzneimittel ein Rezept vorgelegt werden. Mit dieser schwer nachvollziehbaren Regel werden klassische Apotheken geschützt und der sinnvolle, kostengünstige Absatzkanal der Versandapotheken wird faktisch stillgelegt.
