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Preistransparenz bei Labelprodukten: der Druck steigt

Der Preisüberwacher hat die Preise und Margen der Detailhändler bei Bio- und anderen Lebensmitteln untersucht. Die Publikation seines Berichts wird allerdings vorderhand mit juristischen Mitteln verhindert. Die Margen bei Labelprodukten sind ein wohlgehütetes Geheimnis des Detailhandels. Der Konsumentenschutz vermutet schon seit Langem, dass der Handel mit Labelprodukten sehr viel Geld verdient, weil der Markt nicht spielt. Er hat deshalb diverse politische Vorstösse lanciert.

Dass einer der Detailhändler den Bericht des eidgenössischen Preisüberwachers zu “Preisen und Margen im (Bio-)Detailhandel” mit formalrechtlichen Argumenten zu verhindern sucht, scheint den Verdacht des Konsumentenschutzes – und weiterer Nichtregierungsorganisationen – zu bestätigen: Mit dem Verkauf von Labelprodukten dient dem Handel weniger zur Stärkung des nachhaltigen Konsums als vielmehr der Geldvermehrung.

Markt spielt bei Labelprodukten nicht

Der Vertrieb von Bio-Fleisch und anderen Labelprodukten wird in der Schweiz, wie auch bei vielen anderen Produkten, durch die beiden Detailhandelsriesen Migros und Coop dominiert. Bei zwei so starken Teilnehmern kann der freie Markt in diesem Segment nicht spielen, die hohen Labelfleisch- und Bio-Preise sind hierfür ein starkes Indiz. Migros und Coop schulden der Öffentlichkeit deshalb schonungslose Transparenz. Doch anstatt offen über die Hintergründe ihrer Preisgestaltung zu informieren, hüten die Händler Informationen über die Margen von Labelprodukten wie ihren Augapfel.

Im vorliegenden Fall bestreitet die Migros, dass die Margen bei Bio-Produkten hoch sind. Doch die Händler lassen sich nicht in die Bücher schauen. Die Margen sind mit Verweis auf die Konkurrenz das bestgehütete Geschäftsgeheimnis. Einen Hinweis, dass die Vermutungen über die sehr hohen Margen nicht ganz aus der Luft gegriffen sind, gab im Sommer 2022 allerdings ein Datenleck bei Laitries Réunies in Genf (LRG), die die Westschweizer Konsumentenschutz-Organisation FRC auswertete. Gemäss diesen Daten kauft Coop bei LRG beispielsweise das Viererpack der Joghurtalternative Sojasun Heidelbeere für Fr. 1.70 und verkauft es für Fr. 3.35. Damit hat der Grossverteiler eine Bruttomarge von 92 % bezogen auf den Einkaufspreis.

Soll der Konsum insgesamt wirklich nachhaltiger werden, müssen die Labelprodukte entweder ernsthaft konkurrenzfähig werden. Oder der Detailhandel macht seine Nachhaltigkeitversprechen wahr und gestaltet aktiv sein Angebot so, dass nachhaltige Produkte von einer Mehrheit der Kundschaft gekauft werden.

Auch der Konsumentenschutz macht Druck

Selbst der Bundesrat sieht bei der Preistransparenz grossen Handlungsbedarf, wie er in seinem Bericht zur “zukünftigen Ausrichtung der Land- und Ernährungspolitik” betont. Der Druck auf den Detailhandel steigt – auch vom Konsumentenschutz: Er fordert vom Gesetzgeber Auskunft, wie die Transparenz im Lebensmittelmarkt verbessert und nachhaltige Konsum- und Ernährungsumgebungen beim Lebensmittelhandel gefördert werden können.

Hier der 10vor10-Bericht vom 23. Dezember 2022: