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Wie alles begann

Früher waren Anbieterinnen gegenüber Käufer:innen im Vorteil

Die Anbieterinnen hatten in der „guten alten Zeit“ keine Mühe, ihre Produkte zu guten Preisen abzusetzen. Doch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts führten die aufkommende Konkurrenz und die steigende Kaufkraft zu einer gewaltigen Komplizierung des Marktgeschehens. Da sie zwischen mehreren Anbieterinnen und zwischen verschiedenen Markenartikeln auswählen konnten, waren nun plötzlich die Kund:innen in einer scheinbar stärkeren Position. Das zwang die Herstellerinnen, Verkäuferinnen und Importeurinnen, ihr Augenmerk vermehrt auf die Werbung und auf die Kommunikation zu richten.

Trotz diesem Wandel, der in der ökonomischen Theorie als Übergang vom Verkäuferinnen- zum Käufer:innenmarkt bezeichnet wird, verharrten die Konsument:innen in einer David-Rolle. Denn die Massenproduktion und der Sortimentswirrwarr erschwerten, ja verunmöglichten es den Konsument:innen, den Marktüberblick zu behalten. Und die Anbieterinnen wussten die Preise und Gewichtsangaben geschickt zu verschleiern oder gar zu verfälschen, um das Dickicht noch undurchdringlicher zu gestalten. Markttransparenz lag nicht in ihrem Interesse.

Konsumentenschutz – die Anfänge

Die Konsument:innen griffen erstmals im 19. Jahrhundert mit der Gründung von Konsumgenossenschaften ins Marktgeschehen ein. So gründete sich 1851 der Konsumverein Zürich. Damit beginnt eine erfolgreiche Genossenschaftsgeschichte. Die Konsumvereine verschrieben sich der gemeinschaftlichen Vermittlung von Gütern des täglichen Bedarfs. 1890 schlossen sich einige Konsumvereine zum Verband Schweizerischer Konsumvereine (VSK) zusammen. Zwei Jahre nach der Gründung des VSK wurde der gemeinsame Grosseinkauf eingeführt mit dem Ziel, preisgünstige Waren in einwandfreier Qualität zu bekommen. 1969 wurde der VSK in Coop umbenannt.

1934 trat die Liga für Konsumentenschutz mit einem flammenden Aufruf an die Öffentlichkeit und forderte die Verbilligung der Lebensmittel durch Organisationen der Verbraucher:innen. In der  Zwischenkriegszeit setzten sich vor allem die Genossenschaftsbewegungen, Frauenverbände und Gewerkschaften für Konsumentenanliegen ein. Es ging ihnen dabei vorrangig um die Sicherstellung der Versorgung von Arbeiter:innen und Angestellten sowie deren Familien mit Gütern des täglichen Bedarfs zu erschwinglichen Preisen.

Konsumentenschutz der Frauen

Nach dem Zweiten Weltkrieg gründeten 1948 diverse Frauenorganisationen in Zürich das Schweizerische Institut für Hauswirtschaft (SIH) als Prüfstelle für Haushaltgeräte. Das Gütesiegel «SIH-geprüft» war lange Zeit äusserst bekannt und stand für Sicherheit und Qualität.  Doch die SIH-Tests hatten wenig Aussagekraft. In den von ihnen veröffentlichten Resultaten wurden weder die Marken genannt noch die Prüfkriterien offen gelegt. Das wussten die Herstellerinnen und Importeurinnen zu verhindern, da diese das Gros der Tests selbst in Auftrag gaben und auch deren Kosten trugen.

Es waren in der Nachkriegszeit vor allem die Hausfrauen, die mit den aufkommenden Massenkonsumgütern konfrontiert wurden. Ihr Bedürfnis nach wirtschaftspolitischen und konsumentenrelevanten Informationen war entsprechend gross. 1959 wurde deshalb in der Romandie die Konsumentinnenorganisation Commission romande des consommatrices gegründet (daraus wurde später die Fédération romande des consommatrices und die heutige Fédération romande des consommateurs FRC). Zwei Jahre später nahmen sich die Frauenverbände der deutschsprachigen und italienischsprachigen Schweiz die Romandie zum Vorbild und bauten 1961 das Konsumentinnenforum auf, das sich heute Konsumentenforum (kf) nennt. Diese Organisationen widmeten sich in erster Linie der Information von Konsument:innen und anfangs nur in geringem Ausmass dem Warentest. Ihr Zielpublikum waren vor allem Hausfrauen. 1975 entstand im Tessin ausserdem die rechtlich unabhängige Associazione Consumatrici della Svizzera italiana (ACSI).

Die Stiftung für Konsumentenschutz wird gegründet

Die Gründung der Stiftung für Konsumentenschutz am 18. Juni 1964 war die Antwort auf die von den Frauenverbänden dominierten bereits bestehenden Konsumentenschutzorganisationen. Das kf und die FRC waren von Frauen geleitete Organisationen und sprachen vor allem die bürgerliche Hausfrau an. Das kf seinerseits ging den Auseinandersetzungen mit den Anbieterinnen oder dem Gesetzgeber aus dem Weg und suchte mit ihnen den Kompromiss. Auch heute noch bemüht sich das kf um die Kooperation mit den Anbieterinnen.

Die SKS dagegen war zu Gründerzeiten eine von Männern dominierte Runde und wollte explizit die Interessen der Konsument:innen wahren, insbesondere deren Schutz vor Benachteiligung (Art. 4 der Stiftungsurkunde). Schwerpunkt war die Prüfung von Qualität und Preis von Waren und Dienstleistung mit Hilfe so genannter vergleichender Warentests.

Der erste im Oktober 1964 veröffentlichte Test der SKS, der „Seifentest“, fand medial und bei den Konsument:innen sehr grosse Beachtung:

Die SKS-Warentests wurden immer neutral durchgeführt. Der SKS ging es von Anfang an darum, pointiert die Anliegen der Konsument:innen gegenüber den Herstellerinnen und Anbieterinnen zu vertreten. Die SKS war von Beginn weg kämpferisch und nahm kein Blatt vor den Mund. Dieser Haltung ist sie bis heute treu geblieben.

Die Wut der Anbieterinnen

Das absolut Neue an den Tests der Stiftung für Konsumentenschutz war die namentliche Nennung der Herstellerinnen und der Marken. Die Anbieterinnen regten sich am Anfang enorm über die vergleichenden SKS-Warentests (rechts z.B. der „Töffli-Test“) auf und liessen an ihnen kein gutes Haar. Herstellerinnen ungünstig beurteilter Produkte rauften sich im besten Fall die Haare, bei anderen ist von wahren Wutausbrüchen die Rede. Harald Huber stellte in seiner Rede zum zehnjährigen Bestehen der SKS fest:  «Da war es noch harmlos, wenn ein Seifenchemiker schlicht erklärte, bei der Erstgeburt der SKS handle es sich eher um eine Fehlgeburt.» Und Alfred Neukomm erzählt, wie einige Anbieterinnen tobten und ihm entgegenschleuderten, dass sie sich vor Gericht wieder treffen würden. Lachend fügt er hinzu: «In meinen 18 Jahren als SKS-Sekretär ist es nie zu einem Prozess gegen uns gekommen. Aber natürlich laufend zu Prozessandrohungen.»

Alfred Neukomm, SKS-Sekretär 1967-85

Skandale: Behörden überfordert

Insbesondere unter Roland Seiler, der die SKS von 1985 bis 1992 leitete, bekamen Themen wie Gewässerschutz, Abfallverminderung oder Energieverschwendung ein immer stärkeres Gewicht. Es wurden Energiesparlampen getestet, Wasserverbrauchsangaben überprüft oder auch gesundheitliche Aspekte untersucht. Bei einem Test über Baumwollkleider wurden beispielsweise 1991 bei acht von zwölf Herrenhemden und bei fünf von acht Mädchenröcken äusserst bedenkliche Formaldehydwerte festgestellt.

Roland Seiler, SKS-Sekretär 1986-2002

Lebensmittelskandale, wie gepantschte Weine aus Österreich und Italien, Listerien im Salami, Hormone im Kalbfleisch verunsicherten in den Achtziger- und Neunziger-Jahren die Konsument:innen. Die Behörden liessen sich von diesen Ereignissen oftmals überrumpeln und hinterliessen bei der Bevölkerung keinen guten Eindruck. Informationspannen, Geheimniskrämereien und unverständliches Fachchinesisch vergrösserten  die Ängste bei den Bürgern noch. Als 1987 etwa Listerien in zwei Salamis entdeckt wurden, orientierten die entsprechenden Stellen über eine Einfuhrsperre, die betroffenen Marken jedoch wurden nicht genannt. Die objektive Information der Konsument:innen war weiterhin in den Händen der  Konsumentenschutzorganisationen.

Der Konsumentenschutz schafft es endlich in die Verfassung

Bereits 1967 verlangte eine nationalrätliche Motion die Schaffung eines entsprechenden Artikels. Der Vorschlag kam aber auf der Seite der Anbieterinnen nicht gut an, und dessen Behandlung wurde auf die lange Bank geschoben. Schliesslich gab der Bundesrat die Ausarbeitung eines neuen Entwurfs in Auftrag.

1977 betrat unerwartet ein neuer Akteur die politische Bühne. Das Boulevard-Blatt «TAT» mit dem ehemaligen Kassensturz-Chef Roger Schawinski als Chefredaktor verschrieb sich den Anliegen der Konsument:innen und lancierte eine Konsumentenschutz- Initiative. Die Bundesversammlung stellte der Initiative einen Gegenvorschlag gegenüber, den die SKS befürwortete und dafür stark lobbyierte.

Am 14. Juni 1981 wurde die Vorlage mit deutlichem Volks- und Ständemehr angenommen. «Der Bund trifft Massnahmen zum Schutz der Konsumentinnen und Konsumenten.» So lautet der Art. 97 BV seit der Revision der Verfassung. Trotz diesem Erfolg ist zu betonen, dass der “Konsumentenartikel” der Bundesverfassung einem internationalen Vergleich nicht standhält und nur einen relativ geringen Schutz für Konsument:innen bietet.