Was und wofür ist ein Metaverse?

Der Hype um «das Metaverse» hat spätestens mit der Firmen-Umbenennung von Facebook zu Meta einen neuen Höhepunkt erreicht. So neu sind die digitalen Parallelwelten aber nicht: Noch vor «Second Life» (2003) gab es das Spiel «Ultima Online» (1997), in dem Spielerinnen und Spieler miteinander frei eine Welt gestalten konnten. Bieten die neuen technologischen Möglichkeiten wie VR-Brillen, die gewaltigen Rechenleistungen und die Blockchain in der digitalen Welt wirklich mehr?
Schenkt man der Bewertung der Unternehmensberatung McKinsey (Englisch) Glauben, wird «das Metaverse» (Metaversum) bis zum Jahr 2030 Werte von bis zu 5 Billionen (5’000’000’000’000) US Dollar generieren. Davon sollen zwischen 2 und 2.6 Billionen US Dollar durch E-Commerce-Anbieter erwirtschaftet werden.
Die Marktforscherinnen von Gartner (Englisch) sagten 2022 voraus, dass im Jahr 2026 ein Viertel der Menschen mindestens eine Stunde pro Tag im Metaverse verbringen werden, und zwar nicht nur in der Freizeit, sondern auch zu einem Teil des Arbeitsalltags. Ob diese teils gewagten Prophezeiungen eintreffen werden, wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Der Entwicklungsstand von Decentraland und Sandbox – zwei der gehypten Metaversen – stimmt jedenfalls skeptisch.
Dennoch: Obwohl noch völlig unklar ist, welche Metaversen sich durchsetzen werden, gibt es schon jetzt massive Spekulationen um die virtuellen Grundstückpreise.
Was ist «das Metaverse»?
Das eine Metaversum gibt es nicht: Es gibt mehrere dieser virtuellen Welten, die nicht miteinander verbunden sind. Technisch sind die Metaversen auch nicht miteinander kompatibel. Das soll sich allerdings künftig ändern.
Ein Metaverse ist eine virtuelle Welt, worin die Nutzerinnen miteinander (z.B. via Sprach-Chat oder Gesten) und der Umgebung interagieren. Für ein realistischeres Erlebnis verwendet man oft eine VR-Ausrüstung, also eine Brille und einen Controller. Die Metaverse-Besucherinnen können hier unter anderem auch Grundstücke kaufen und gestalten.
Neben virtuellem Land können auch Objekte (z.B. Gegenstände, Kleidungsstücke oder Tickets für virtuelle Konzerte als NFT) gekauft werden, die auch in anderen Metaversen funktionieren sollen. Bezahlt werden die Inhalte hauptsächlich mit Kryptowährungen. Auch NFTs die abseits der Metaversen gekauft wurden, können in den Metaversen ausgestellt werden – so findet sich hier beispielsweise auch der Zürcher Böögg.
Was nützen Ihnen die virtuellen Welten?
Wer bereits einen Ausflug in eines der bestehenden Metaversen (z.B. Decentraland oder Sandbox) unternommen hat, weiss, dass die Metaversen von Perfektion noch weit entfernt sind. Momentan sind die Plattformen eher eine Spielerei und es bestehen noch massive Einstiegshürden. Bei Sandbox müssen Sie zuerst einen Account erstellen und danach den Client herunterladen. Erst danach können Sie ins Metaverse eintauchen. Allerdings sind Sie dort weitestgehend auf sich gestellt.
Bei Decentraland ist das besser gelöst – Sie benötigen weder zwingend einen Account noch einen Client und über ein Tutorial lernen Sie die Basics kennen. Doch auch das Decentraland wirkt menschenleer und befindet sich funktional noch in den Kinderschuhen. Ein Beispiel dafür: Sie können Kleidungsstücke für Ihren Avatar ( also Ihre Spielfigur) nicht direkt innerhalb des Clients kaufen. Stattdessen öffnet sich beim Klick ein Pop-Up, das nach Ihrem Klick auf «Weiter» den Link zum Kleidungsstück in Ihrem Internetbrowser aufruft. Genau so, wie wenn Sie in einer E-Mail auf einen Link klicken.

Decentraland, im Museum
Eine andere wichtige Komponente – der Austausch mit anderen Metaverse-Besucherinnen – kommt zumindest bei Decentraland zu kurz, weil es abseits des Eingangsbereichs kaum Personen hat. Da in Sandbox The Game nur auf gewisse Events zugegriffen werden kann, sind dort mehr andere Personen anzutreffen. Dafür fühlt es sich – nicht nur visuell – wie ein schlechtes MMO (Online-Game mit vielen, gleichzeitigen Mitspielern) aus den 2000ern an.

Decentraland, im OpenSea Gebäude

The Sandbox
Welche Gefahren lauern im Metaverse?
Metaverse-Fans glauben, mit den virtuellen Welten die gesellschaftlichen Probleme wie Rassismus und Sexismus lösen zu können. Tatsächlich kommt es in den Metaversen aber bereits jetzt zu rassistischen und sexuell motivierten Übergriffen, die sich für die Opfer noch intensiver als Attacken auf Social Media anfühlen. Davon sind auch Kinder und Jugendliche betroffen, weil in den virtuellen Welten die nötigen Schutzmechanismen fehlen. Wie bei sozialen Netzwerken braucht es auch für Metaversen eine Plattformregulierung.
Vorsicht: Wie überall im Internet gibt es auch im Metaverse Cyberkriminelle, die sich illegal bereichern wollen. Diese dürften rasch Wege finden, um im Metaverse nach Passwörtern zu phishen oder Besucher mit Krypto-Betrügereien übers Ohr zu hauen. Dazu dürften sie auch Sicherheitslücken im Programmiercode von Metaversen ausnutzen.
So gibt es beispielsweise manipulierte Apps von The Sandbox für Android, die unlimitierte Ressourcen versprechen. Es ist wahrscheinlich, dass dahinter Cyberkriminelle stecken, die mit den Apps die Kryptowährungen der Installierenden stehlen wollen. Falls Sie ein Metaverse ausprobieren möchten, sollten Sie das deshalb nur mit den offiziellen Apps oder Anwendungen tun.
Und last but not least: Die Nutzerinnen und Nutzer sind dem Willen (oder der Willkür) der Betreiber de facto ausgeliefert und nur so frei in ihren Handlungen, wie es der Betreiber zulässt. Wenn die Betreiber von The Sandbox beispielsweise beschliessen, Grundstücke neu auf einer anderen Blockchain zu hinterlegen oder die Anzahl der verfügbaren Grundstücke zu vergrössern, kann die Community sie nicht davon abhalten. Auch dieses Problem gab es bereits im Jahr 2000 bei Ultima Online, wo Entscheidungen der Betreiberinnen bei der Spielerbasis für Kontroversen sorgten.