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Stichproben beim Self-Checkout oder durch Ladendetektiv:innen

Seit Jahren sind Self-Checkout Kassen beliebt. Viele Konsument:innen empfinden es als zeitsparend, die Einkäufe selbstständig zu scannen und anschliessend mit der Debit-, Kreditkarte oder TWINT zu bezahlen. Was aber gilt, wenn Sie einen Artikel versehentlich nicht einscannen? Und wie sieht es mit Ladendetektiv:innen und Videoüberwachung aus? Hier erfahren Sie das Wichtigste.

Neben den Ladendetektiv:innen und der allgemeinen Videoüberwachung in Verkaufsläden, werden bei Self-Checkout (oder Selbstbedienungs-) Kassen zusätzliche Kontrollen durchgeführt. Die meisten Anbieterinnen mit Self-Checkout sehen in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen vor, dass das Personal Stichproben durchführen darf. Die Self-Checkout Kassen der grossen Detailhändlerinnen lösen solche Stichproben automatisch aus. Der Kaufvorgang kann in diesem Fall erst abgeschlossen werden, nachdem das Verkaufspersonal einige Artikel erneut gescannt hat, um zu prüfen, ob die Kund:in diese ordnungsgemäss erfasst hat.

Wir zeigen Ihnen nachfolgend auf, an welche Grundsätze sich das Geschäft dabei zu halten hat, welche Rechte Ihnen zustehen und wie das Nicht-Scannen eines Artikels rechtlich zu werten ist.

Self-Checkout Stichproben

Grundsätze und Ihre Rechte

Das Verkaufsgeschäft hat das Recht, bei Ihnen eine Stichprobe durchzuführen und zu kontrollieren, ob sie alle Artikel aus Ihrem Warenkorb auch tatsächlich eingescannt haben. Bei den grossen Detailhändlerinnen müssen Sie vor Beendigung des Einkaufs bestätigen, dass Sie sämtliche Artikel eingescannt haben. Entweder löst das Kassensystem selbst eine Stichprobe aus oder eine Kunden-Betreuer:in wählt Sie spontan für eine Stichprobe aus. Sollten Sie Zweifel daran haben, ob die Person zur Kontrolle befugt ist, können Sie darauf bestehen, dass sie sich vor der Kontrolle als Mitarbeiter:in ausweist.

Die Angestellten müssen Ihnen klar und deutlich mitteilen, was gerade geschieht. Sie sind verpflichtet, Ihnen zu erklären, dass es sich um eine Stichprobe handelt, in welcher geprüft wird, ob alle Artikel beim Self-Checkout erfasst wurden und nach welchem System gerade Sie ausgewählt worden sind. Wenn es die Umstände (Platzverhältnisse, Kund:innenaufkommen etc.) zulassen, darf das Personal Sie nicht dazu zwingen, in einen separaten Raum mitzugehen.

Falls bei der Kontrolle festgestellt wird, dass Sie einen Artikel nicht gescannt haben, müssen Sie die Gelegenheit erhalten, sich dazu zu äussern. Bitte beachten Sie, dass es den Angestellten jederzeit freisteht, die Polizei zu rufen. Wir empfehlen Ihnen deshalb, höflich und sachlich zu bleiben.

Nach einer Stichprobe beim Self-Checkout

Falls bei Ihnen nicht gescannte Artikel gefunden wurden, sollten Sie nicht blindlings Dokumente unterschreiben. Lassen Sie sich nicht dazu zwingen. Denn es könnte sich dabei um ein Schuldeingeständnis handeln, mit welchem Sie erklären, dass Sie vorsätzlich (also absichtlich) gehandelt haben. Sie müssen das Dokument nicht unterschreiben, eine Weigerung kann jedoch zu einer Strafanzeige bei der Polizei führen. Falls Sie sich zum Unterschreiben entscheiden, sollten Sie das Dokument vorab genau prüfen und versuchen, Änderungswünsche anzubringen, wo nötig.

Findet das Ladenpersonal nicht eingescannte Artikel, müssen Sie sich aber die Aufnahme Ihrer Personalien gefallen lassen. Eine Kopie Ihres Ausweises (z. B. Identitätskarte) müssen Sie aber nicht zulassen. Nur die Polizei kann Sie zwangsweise identifizieren, indem Sie auf den Polizeiposten mitgenommen werden.

Ihre Rechte bei einer Strafanzeige

Im polizeilichen Ermittlungsverfahren können Sie von Ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen und keine Aussage machen. Ausserdem können Sie eine Rechtsanwält:in Ihrer Wahl beiziehen, Äusserungen zum Sachverhalt und zum Verfahren machen, sowie Rechtsmittel (z.B. Beschwerde) gegen alle Verfügungen und Verfahrenshandlungen der Polizei ergreifen.
Im Anzeigeverfahren vor der Staatsanwaltschaft können Sie dann Akteneinsicht verlangen, Fragen an Zeug:innen stellen und eigene Beweise vorbringen. Je nach Ihren finanziellen Verhältnissen erhalten Sie eine amtliche, unentgeltliche Verteidigung (falls die gesetzlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind). Des Weiteren können Sie Rechtsmittel (z.B. Beschwerde) gegen Verfügungen und Verfahrenshandlungen der Staatsanwaltschaft ergreifen. Übrigens: Bei einem Diebstahl von Waren im Wert unter 300 Franken müsste das Geschäft innerhalb von drei Monaten nach der Stichprobe einen Strafantrag stellen (Art. 31 StGB). Denn bei geringen Vermögenswerten ist der Diebstahl ein Antragsdelikt, das mit Busse bestraft wird. (Art. 139 Abs. 1 StGB i.V.m. Art. 172ter StGB)

Gegen ein allfällig vom Verkaufsladen ausgesprochenes Hausverbot müssen Sie zivilrechtlich vorgehen, falls es nicht sowieso bereits im Zuge eines ergebnislosen Ermittlungsverfahrens aufgehoben wird.

Rechtliche Qualifikation: ungescannte Artikel beim Self-Checkout

Was liegt rechtlich gesehen vor, wenn beim Self-Checkout nicht alle Artikel eingescannt wurden (und das bei einer Stichprobe auffällt)? Wird ein Artikel aus Versehen nicht eingescannt, dann liegt noch kein Diebstahl vor. Denn die subjektive Voraussetzung des Vorsatzes ist nicht erfüllt. Einen fahrlässigen oder versehentlichen Diebstahl kennt das Gesetz nicht. Werden bei der gleichen Kund:in aber wiederholt nicht-gescannte Waren gefunden, kann diese Wiederholung ein Indiz für vorsätzliches Handeln sein.

Zudem hat die Kund:in den Artikel bei der Self-Checkout Stichprobe noch nicht aus dem Geschäft mitgenommen bzw. weggenommen. Die Kund:in trägt die Sache noch immer mit sich, meist offen im Einkaufskorb oder -wagen. Als weggenommen gilt eine Sache erst, wenn die Kund:in mit der Ware das Geschäft verlässt. Anders ist es, wenn Sie die Sache bereits verstaut oder versteckt haben, z.B. in einem Rucksack oder in den Kleidern. Dann gilt die Sache bereits im Geschäft als weggenommen.

Videoüberwachung in Verkaufsräumen

In erster Linie können drei Arten von Videoüberwachung unterschieden werden:

  1. Die flächendeckende Videoüberwachung der Ladenfläche
  2. Die spezielle Überwachung im Bereich der Self-Checkout Kassen
  3. Der Einsatz von spezieller Analysesoftware (flächendeckend oder im Kassenbereich), welche angeblich potentielle Dieb:innen erkennt

Zusätzlich machen oft auch Ladendetektiv:innen Jagd auf potentielle Dieb:innen – dabei nutzen Sie sowohl die Videoüberwachung als auch direkte, eigene Beobachtungen.

Die Videoüberwachung an und für sich ist grundsätzlich erlaubt, wenn damit überwiegende Interessen gewahrt bleiben. Geschäfte dürfen Überwachungskameras also grundsätzlich einsetzen, um Diebstahl zu verhindern. Allerdings müssen sie auf die Videoüberwachung hinweisen, bevor Kund:innen von den Überwachungskameras erfasst werden.

Speicherung der aufgezeichneten Überwachungsvideos

Material von Videoüberwachungs-Kameras dürfen Läden gemäss dem Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) in der Regel 24 Stunden lang aufbewahren. Eine leicht verlängerte Dauer ist lediglich in Ausnahmefällen zulässig, z.B. wenn die vollständige Auswertung bei einem offensichtlichen Diebstahl länger dauert oder zur Aufbewahrung und Auslieferung an die Strafverfolgungsbehörden. Das Veröffentlichen der Aufnahmen im Sinne eines Online-Prangers ist illegal. Aufgrund fehlender Strafbestimmungen im Datenschutzgesetz (DSG) müssten Sie zivilrechtlich gegen die Veröffentlicher:innen vorgehen oder können eine Meldung beim EDÖB machen.

Herausgabe und Löschung von Videomaterial verlangen

Wenn Sie vermuten oder sich sicher sind, dass Sie auf Aufzeichnungen von Videoüberwachungs-Kameras zu sehen sind (z.B. bei videoüberwachten Self-Checkout Kassen), können Sie die Herausgabe des entsprechenden Materials verlangen. Dafür müssten Sie ein schriftliches Datenauskunftsbegehren stellen. Dieses Recht stützt sich auf das DSG (Art. 25 DSG und Art. 28 DSG). Der Anspruch gilt grundsätzlich auch für den Fall, dass gegen Sie ein Strafuntersuchungsverfahren durchgeführt wird. Dennoch kann die Auskunft nach Art. 26 DSG in Ausnahmefällen verweigert oder eingeschränkt werden, wenn überwiegende Interessen es erfordern oder das Auskunftsbegehren offensichtlich unbegründet bzw. querulatorisch (also reine Schikane) ist. Überwiegende Interessen könnten z.B. von Mitarbeitenden eines Geschäfts oder von anderen Kund:innen, die auf den Aufnahmen sichtbar sind, geltend gemacht werden. Offensichtlich querulatorisch wäre z.B. das Stellen von Auskunftsbegehren an Läden, die die Antragssteller:in gar nicht besucht hat.

Zusätzlich können Sie die Löschung des Videomaterials verlangen (Art. 32 DSG), denn wie erwähnt, darf das Geschäft das Videomaterial gemäss EDÖB grundsätzlich nur 24 Stunden lang aufbewahren.

Konfrontation mit Ladendetektiv:innen

Es kann sein, dass Sie als Kund:in von einer Ladendetektiv:in angehalten werden. Dies ist alles andere als eine alltägliche Situation und oftmals unangenehm. Aber auch für Ladendetektiv:innen gelten Regeln:

  1. Eine Ladendetektiv:in muss Ihnen klar und detailliert darlegen, auf Grund welcher Beobachtungen Sie angehalten wurden und welche Vermutung sich aus den gemachten Beobachtungen ergibt.
  2. Um sicherzugehen, dass Sie es tatsächlich mit einer Ladendetektiv:in zu tun haben, lassen Sie sich am besten den entsprechenden Ausweis zeigen.
  3. Wenn die Ladendetektiv:in Sie bittet, z.B. Ihren Rucksack zu öffnen oder Ihre Jackentaschen zu leeren, können Sie sich grundsätzlich dagegen wehren. Allerdings sollten Sie abwägen, ob eine solche Weigerung nicht zu einer Verschärfung der Situation beiträgt. Weigern Sie sich, ist damit zu rechnen, dass die Polizei beigezogen wird, die Ihre Taschen im Verdachtsfall auch gegen Ihren Willen untersuchen darf.
  4. Auch wenn die Ladendetektiv:in Sie dazu auffordert, müssen Sie ihr nicht in einen separaten Raum folgen. Wenn die Detektiv:in Sie dazu zwingt oder gar in einem Raum einsperrt (z.B. bis die Polizei eintrifft), macht sich die Ladendetektiv:in (bzw. die involvierten Personen) unter Umständen selbst strafbar. Nämlich dann, wenn das Festhalten unverhältnismässig ist. Damit das Festhalten nach Einschätzung von Espresso verhältnismässig ist, müssen Sie in flagranti beim Diebstahl erwischt werden. Zudem muss der Warenwert über 300 Franken liegen und das Festhalten zuerst angedroht werden. Werden Sie nicht in flagranti erwischt, liegt der Warenwert unter 300 Franken oder wird Ihnen nicht mit dem Festhalten gedroht, ist ein Festhalten nach Einschätzung der Rechtsexpertin von SRF Espresso in jedem Fall unverhältnismässig.
  5. Wenn Sie grundlos von einer Ladendetektiv:in angehalten wurden, können Sie sich mit einem Schreiben direkt bei der Geschäftsleitung beschweren. Wenn Ihnen wider besseren Wissens öffentlich ein Diebstahl vorgeworfen wird, könnte das den Straftatbestand der Verleumdung erfüllen – wie bei diesem vermeintlichen Gipfeli-Diebstahl.

Einflussbereich der Ladendetektiv:innen

Ladendetektiv:innen sind keine Polizist:innen und haben deshalb im öffentlichen Raum keine Sonderprivilegien. Auf keinen Fall müssen Sie sich ausserhalb des Geschäfts – z.B. auf dem Trottoir ein paar Meter neben dem Laden – von Ladendetektiv:innen oder sonstigem Verkaufspersonal anhalten lassen. Deren Handlungskompetenzen reichen maximal bis zum Eingangsbereich des Geschäfts.

Falls eine Ladendetektiv:in Sie trotzdem ausserhalb dieses Einflussbereiches anhält, sind Sie nicht verpflichtet, irgendwelchen Anweisungen zu folgen (z.B. zurück in den Laden mitzugehen). Lassen Sie sich als erstes einen Ausweis zeigen und geben Sie dann zu verstehen, dass Sie nicht gewillt sind, den Anweisungen zu folgen. Wenn das Personal weiterhin darauf besteht, können Sie verlangen, dass die Polizei gerufen wird oder diese selbst rufen. Ein anschauliches Beispiel, wie weit die Kompetenzanmassung von Überwachungspersonal manchmal geht, zeigt dieser Kassensturz-Beitrag: