Medikamentenkosten: Parlament soll Heft in die Hand nehmen
Keine weiteren Deals mit der Pharma-Industrie
Bis am 1. Juli 2007 soll der Beweis vorliegen, dass der Deal zwischen BAG und Pharma-Industrie die versprochenen 250 Mio. Franken Einsparungen bei den Medikamentenkosten gebracht hat. Doch bereits heute ist klar: Die allfälligen Einsparungen hat die Pharma-Industrie mit neuen, teuren Medikamenten längst wieder wettgemacht. Von den «Top-20 Präparaten» der Medikamente sind bei nach wie vor 14 Medikamenten die Preise überhöht. Allein dafür bezahlen Versicherte und Patienten jährlich etwa 115 Mio. Franken zu viel. Trotzdem spricht die Pharma-Industrie bereits von möglichen weiteren Abmachungen zwischen Pharma und Gesundheitsbehörden. Die Stiftung für Konsumentenschutz wehrt sich gegen weitere «Deals» und verlangt verbindliche und demokratisch abgestützte Entscheidungen. «Jetzt muss das Parlament das Heft in die Hand nehmen», verlangt SKS-Präsidentin und Ständerätin Simonetta Sommaruga. «Gesetze und Verordnungen sollen von den zuständigen Behörden angewendet und umgesetzt werden und brauchen keine geheimen Abmachungen.»
Im September 2005 hielten BAG und Pharma-Industrie in einem «Protokoll» verschiedene Massnahmen zur Preissenkung von Medikamenten fest. Die Massnahmen wurden in geheimen Absprachen vereinbart, weder Krankenversicherer noch Konsumenten- und Patientenorganisationen wurden einbezogen. Mit dem Protokoll sollte bis Ende Juni 2007 bei den kassenpflichtigen Präparaten ein Einspareffekt von mindestens 250 Mio. Franken erzielt werden
Für das Monitoring wurde vereinbart, dass «unter Beizug und Mithilfe der Industrie» die Wirkung per 1. Juli 2007 überprüft würde. Die Ergebnisse der Überprüfung würden ausserdem «von einer durch die Unterzeichnenden einvernehmlich zu bestimmenden neutralen Aussenstelle revidiert und beglaubigt werden».
Die SKS hatte bereits beim Abschluss dieses Protokolls die geheimen Absprachen zwischen Bundesbehörden und Pharma-Industrie als undemokratisch kritisiert. Ausserdem genügten die vereinbarten Massnahmen aus Sicht der SKS keinesfalls, um die in der Schweiz gegenüber dem Ausland noch immer überhöhten Medikamentenpreise zu senken und den starken Anstieg der Medikamentenkosten nachhaltig zu bremsen.
Der vom Gesundheitsminister in der Zwischenzeit zusätzlich eingeführte differenzierte Selbstbehalt für Generika hat zwar zu einer massiven Steigerung der Generika geführt (+ 46 Prozent), hingegen wurde es verpasst, gleichzeitig auch die Generika einem konsequenten Länderpreisvergleich zu unterstellen. Bis heute sind Generika in der Schweiz durchschnittlich 70 Prozent teurer als in vergleichbaren Ländern.
Bereits heute ist klar: Weder das «Protokoll» zwischen BAG und Pharma-Industrie noch die zusätzlichen Massnahmen des Gesundheitsministers haben das enorme Kostenwachstum im grössten und teuersten Bereich der Medikamente stoppen können: Im Bereich der patentgeschützten Arzneimittel, welche knapp zwei Drittel der kassenpflichtigen Medikamente ausmachen, beträgt das Kostenwachstum im Jahr 2006 nämlich 13 Prozent! Auch bei den «Top-20 Präparaten» hat das «Protokoll» keine Änderung herbeigeführt: Bei 14 der 20 Präparate sind die (umsatzgewogenen!) Preise nach wie vor überhöht und damit verordnungswidrig.
Damit ist für die SKS klar, dass weder weitere Deals noch Einzelmassnahmen des Gesundheitsministers genügen. Nun muss das Parlament das Heft in die Hand nehmen.
Die SKS verlangt,
- dass die Preise von sämtlichen kassenpflichtigen Medikamenten (SL-Liste) alle drei Jahre überprüft und angepasst werden (auch von jenen Medikamenten, die bereits früher zugelassen wurden).
- dass Arzneimittel, die neu auf der SL-Liste zugelassen werden, mit bereits zugelassenen preisgünstigen Arzneimitteln verglichen werden (siehe «Faktor Umsteigeteuerung»).
- dass bei Arzneimitteln, die für zusätzliche Indikationen zugelassen werden, der Preis nicht erst nach sieben Jahren, sondern gleichzeitig mit der Zulassung einer neuen Indikation überprüft wird; dabei muss gelten, dass der Preis in Relation zur Ausweitung der Anwendung sinken muss (siehe «Faktor Indikationenerweiterung»).
- dass der Bund für die Verschreibung von Arzneimitteln für Krankheiten ausserhalb des vorgesehenen Bereichs klare Regeln aufstellt (siehe «Faktor Off-Label-Use»).
- dass der Parallelimport für patentabgelaufene Arzneimittel erleichtert wird; Gesuche sollen zum Beispiel bereits vor Patentablauf eingereicht werden können.
- dass die Durchsetzung von immaterialgüterrechtlichen Ansprüchen nicht länger Aufgabe von BAG und Swissmedic ist (siehe «Faktor Patent-Evergreening»).
- dass für Generika der Länderpreisvergleich durchgeführt wird.
- dass für den Preisvergleich sämtliche Nachbarländer der Schweiz beigezogen werden.
- dass für den Vertrieb der Arzneimittel preisunabhängige Frankenpauschalen festgelegt werden, welche für die verschiedenen Kanäle (Apotheken, selbstdispensierende Ärzte, Spitäler) einen effizienten und preisgünstigen Vertrieb gewährleisten.
Einige dieser Forderungen wurden von der ständerätlichen Gesundheitskommission aufgegriffen. Die SKS verlangt eine zügige Behandlung dieses Geschäfts. Die weiteren Forderungen wird die SKS direkt im Parlament einbringen.
Was die Medikamentenpreise in die Höhe treibt
Stiftung für Konsumentenschutz
Bern, 16. April 2007