Schutz vor Chemikalien greift zu wenig

Seit Jahren nimmt die Belastung von Trinkwasser und bestimmten Lebensmitteln durch gefährliche Chemikalien zu. Der Konsumentenschutz fordert mehr Kontrollen und Forschung zur Chemikaliensicherheit sowie ein griffiges Chemikalienrecht. Nur so werden die Konsumentinnen und Konsumenten längerfristig vor gefährlichen Stoffen geschützt.
Chemikalien sind aus unserem Leben kaum noch wegzudenken. Ohne die vielfältigen Stoffe und Substanzen funktionieren viele Dinge nicht so, wie wir es gewohnt sind. Dabei sind bestimmte Chemikaliengruppen wie PFAS, Bisphenole, UV-Stabilisatoren oder Flammschutzmittel trotz erwiesener Gefährlichkeit weit verbreitet. Dies ist gefährlich für Mensch und Umwelt und muss dringend behoben werden.
Mehr und strengere Kontrollen nötig
Die Belastungen von einzelnen Chemikaliengruppen in Lebensmitteln und im Trinkwasser werden öfters untersucht. Die Kantonschemiker haben 2023 z.B. eine Studie zu Trinkwasser durchgeführt und festgestellt, dass die Belastungen mit PFAS länger andauern werden. Auch werden die Grenzwerte für einzelne Chemikaliengruppen regelmässig nach unten korrigiert, 2024 ist dies zum Beispiel für PFAS in Lebensmitteln geschehen. Für den Konsumentenschutz ist klar, dass dies nicht ausreicht: Es braucht mehr und strengere Kontrollen. Konkret fordert der Konsumentenschutz eine systematische Erhebung von potentiell gefährlichen Chemikalien, ein umfassendes, schweizweites Monitoring dieser Stoffe und eine systematische Kontrolle potentiell verseuchter Lebensmittel.
Chemikalienrecht schützt zu wenig
In der Europäischen Union sind die Registrierung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe seit 2007 einheitlich reguliert. Die Schweiz vollzieht diese sogenannte REACH-Regulierung autonom nach. Beim Inkrafttreten 2007 als Meilenstein gefeiert, kritisieren Umwelt- und Konsumentenschutzorganisationen die Regelungen seit langem als lückenhaft: So dauerte eine Regulierung gefährlicher chemischer Stoffe bis zu 13 Jahre. Das Problem liegt darin, dass die Chemikalien in einem ersten Schritt nur registriert werden müssen. Behörden und die Wissenschaft prüfen erst danach, wie gefährlich sie sind. Werden bei einer Chemikalie erst nach der Anmeldung gefährliche Eigenschaften entdeckt, löst dies darüber hinaus keine systematischen Nachforschungen zu ähnlichen Stoffen aus. Dies führt dazu, dass für jedes einzelne PFAS die Gefährlichkeit nachgewiesen werden muss, obwohl die verschiedenen Substanzen chemisch sehr ähnlich sind.
Gesundheit vor Profitinteressen
Darüber hinaus zeigt sich auch eine problematische Einflussnahme durch die Industrie: Die EU-Kommission kündigte eine Revision der REACH-Regulierung bereits 2020 an, diese wurde seither jedoch immer wieder auf Druck der Chemieindustrie verschoben. Der Konsumentenschutz fordert, dass die Schweiz ihre Autonomie nutzt und die gefährlichsten Chemikaliengruppen verbietet. Als Vorbild kann Dänemark dienen, dass PFAS in Lebensmittelverpackungen bereits 2020 verboten hat.
Mehr Forschung zu Chemikaliensicherheit
Inzwischen weiss man, dass viele Chemikalien mit der Umwelt interagieren und Menschen und Natur schädigen können. Chemikalien werden mit gesundheitlichen Problemen wie Erkrankungen des Nervensystems, Beeinträchtigung des Immunsystems, Fortpflanzungs- und Entwicklungsstörungen oder Krebs und Adipositas in Verbindung gebracht. Trotz diesen höchst beunruhigenden Tatsachen und dem Ausmass des Problems wird die Forschung kaum gefördert. So beschäftigt sich heute keine einzige der insgesamt 43 ETH-Professuren spezifisch mit den schädlichen Auswirkungen von Chemikalien. Das Forschungsfeld Chemikaliensicherheit ist zur Nebensächlichkeit verkommen, die als eine der Subgruppen der Umweltchemie mittlerweile kaum noch Beachtung findet. Anstatt immer neue Chemikalien zu «erfinden», fordert der Konsumentenschutz, dass die Forschung rund um die Chemikaliensicherheit wieder in das Zentrum gerückt und gefördert wird.