Warum betreibt der Konsumentenschutz Strassenfundraising?
Hin und wieder sieht man in der einen oder anderen Schweizer Stadt Dialogerinnen, die anlässlich einer Standaktion bei Passanten für Förderbeiträge an den Konsumentenschutz werben. Dies sorgt gelegentlich für Irritation.
Finanzierung und Mittelbeschaffung des Konsumentenschutzes
Die oberste Maxime des Konsumentenschutzes ist seine Unabhängigkeit. Daher ist es ausgeschlossen, dass der Konsumentenschutz
- Werbegelder
- Projektgelder der Industrie, Anbieter, Konzerne und deren Verbände
- Gelder aus politischen Parteien
entgegennimmt.
In anderen europäischen Ländern werden Konsumentenorganisationen für ihre Arbeit durch den Staat in bedeutendem Mass unterstützt. In der Schweiz ist die Bundesunterstützung marginal und wird von politischer Seite immer wieder in Frage gestellt oder bekämpft. Für die 4 nationalen Konsumentenorganisationen stand in den letzten Jahren jährlich ein Betrag von insgesamt TCHF 900 Bundessubventionen zur Verfügung, der nach gesetzlich festgelegten Vorgaben verteilt wird. Im Durchschnitt wurden diese Bundesmittel seit 2016 wie folgt verteilt: FRC 44%; ACSI 16%; kf 10%; Konsumentenschutz 30%. Beim Konsumentenschutz machen diese Subventionen rund 14% seines Ertrags aus.
Aus obigen Gründen muss der Konsumentenschutz – wie andere NGO – selber Fundraising betreiben. Alle Fundraisingmassnahmen sind für den Konsumentenschutz eine Gratwanderung, denn auch Fundraisingmethoden oder Bereiche davon werden durch den Konsumentenschutz immer wieder öffentlich kritisiert oder sogar politisch bekämpft (wie: ungewollte Werbung im Briefkasten, Telefonmarketing).
Alle Fundraisinginstrumente des Konsumentenschutzes müssen demnach so ausgestaltet sein, dass sie den Werten des Konsumentenschutzes entsprechen. Deshalb kommen einige Methoden von vornherein nicht in Frage, wie Telefon-, Haustür- oder Grossspendenmarketing.
Zur Mittelbeschaffung durch Fundraising gibt es keine Alternative, denn ohne Fundraisingmassnahmen könnte der Konsumentenschutz nicht existieren – oder er würde seine Unabhängigkeit aufgeben, was jedoch ausgeschlossen ist.
Fundraisinginstrumente des Konsumentenschutzes: Viele Kleinstbeträge bilden einen sicheren Garant für die Unabhängigkeit der Organisation
Etwas mehr als 85% seiner Einnahmen von gerundet TCHF 2’300 erwirtschaftetet der Konsumentenschutz mit Fundraisingmassnahmen selber. Dieser Anteil ergibt sich aus sehr vielen Kleinstbeträge von Unterstützer:innen.Mehr Infos zur Finanzierung des Konsumentenschutzes.
Um im Rollenkonflikt «Fundraisingmethoden» einen glaubwürdigen Weg zu gehen, handelt der Konsumentenschutz mit den Fundraising-Dienstleistern spezielle Regeln aus.
Die regelmässig eingesetzten Fundraisingmethoden des Konsumentenschutzes sind Briefmailings und Standaktionen. Zudem gibt es einen kleinen Teil spontaner Projektspenden über die Website, u.a. durch Newsletters. Ausserdem erwirtschaftet der Konsumentenschutz einen beachtlichen Teil seiner Einnahmen durch Beratungen und den Verkauf von Ratgebern und anderen Hilfsmitteln für den Konsumalltag (7% Erträge total).
Durchschnittlich generieren die Massnahmen folgende Prozentanteile der Fundraisingerträge: Mailings: 85%, Standaktionen: 13.5%; Website-Spenden: 1.5%.
Aufgrund des geringen Anteils an Online-Spenden wird deutlich, dass spontane Zuwendungen zu wenig Erträge einbringen. Dies ist vermutlich auch deswegen der Fall, weil in der Bevölkerung die weitverbreitete Meinung herrscht, der Konsumentenschutz sei eine staatliche und durch Steuern finanzierte Behörde. Es braucht regelmässig einen Aufruf, um den Konsument:innen bewusst zu machen, dass der Konsumentenschutz auf neutrale Einnahmen mittels Kleinstbeträgen angewiesen ist, um seine Arbeit ausführen zu können.
Als einzige der 4 Konsumentenorganisationen veröffentlicht der Konsumentenschutz seine detaillierte Jahresrechnung. Der unter 7.15 ausgewiesene Betrag für Mittelbeschaffung, Fundraising ist unter dem Begriff «Sammelaktion» zusammengefasst und beinhaltet die Kosten für die Umsetzung aller Fundraisingmassnahmen.
Die Fundraisingmethoden und die ausgesuchten Dienstleister werden regelmässig überprüft – bezüglich Vorgehensweise, aber auch bezüglich Kosten und Ertrag – und allenfalls justiert. Die beauftragten Dienstleister wissen, dass der Konsumentenschutz deren Arbeit regelmässig evaluiert und mit Mitbewerbern vergleicht.
Wieso organisiert der Konsumentenschutz die Standaktionen nicht selber?
Der Konsumentenschutz hat insgesamt 10 Vollzeitstellen, aufgeteilt auf 17 Mitarbeitende. Aufgrund der begrenzten personellen und finanziellen Ressourcen kommt für den Konsumentenschutz die Anstellung und Ausbildung eigener Dialoger:innen nicht infrage. Nebst der Anstellung und Betreuung der Dialoger:innen bräuchte es beispielsweise zusätzlich eine angepasste Infrastruktur und die Administration zur Buchung von passenden Plätzen in unterschiedlichen Orten der Deutschschweiz. Dies wäre für die im Vergleich zu anderen Organisationen kleine Kampagne nicht gerechtfertigt und mit den vorhandenen Ressourcen schlichtweg nicht mach- und bezahlbar. Deshalb arbeitet der Konsumentenschutz für das Strassenfundraising mit der Firma Corris zusammen.
Standaktionen mit Corris AG
- Zusammenarbeit seit 2011
Die Zusammenarbeit mit Corris AG besteht seit 2011. Im Vergleich zu den meisten Corris-Kunden führt der Konsumentenschutz pro Jahr nur eine zeitlich begrenzte Infostand-Kampagne mit einem kleinen Dialoger:innen-Team durch. Wie oben ausgeführt: Der Konsumentenschutz tätigt kein Telefon- und kein Haustürmarketing.
- Ziel der Standaktionen
Im Vordergrund der Standaktionen steht das Ziel, neue Förder:innen zur längerfristigen Unterstützung zu gewinnen. Gönner:innen und Förder:innen profitieren von kostenloser Beratung und Einladungen zu interessanten Führungen. Nicht zuletzt dank dieser hochwertigen Gegenleistungen verfügt der Konsumentenschutz über eine langjährige und sehr treue Spenderschaft.
Standaktionen sind eine Möglichkeit, in der Öffentlichkeit sichtbar zu werden, darzustellen, wie sich der Konsumentenschutz finanziert und auf die breite Themenpalette des Konsumalltags aufmerksam zu machen.
- Widerruf und Rückzahlung
Personen, die am Stand eine Förderschaft abschliessen, wird mitgeteilt, dass sie diese beim Konsumentenschutz jederzeit widerrufen können, was hin und wieder auch gemacht wird. Ein bereits abgebuchter Betrag kann von der betreffenden Person direkt bei der Bank widerrufen werden. Zudem sind bei vielen Banken mittlerweile die laufenden LSV online einseh- und mutierbar. Eine Rückzahlung ist immer möglich, der Konsumentenschutz erstattet auf Anfrage den Betrag jederzeit zurück. Unzufriedene Unterstützer:innen liegen nicht im Interesse des Konsumentenschutzes. Denn nur zufriedene Spender:innen unterstützen aus Überzeugung weiterhin den Konsumentenschutz nachhaltig, d.h. längerfristig.
- weitere Regeln Standaktionen und in Zusammenarbeit mit Corris
Die Standaktionen werden in grösseren und mittleren Städten in der Deutschschweiz durchgeführt. Der Konsumentenschutz hat dafür alle Standplätze ausgeschlossen, die den Menschen verunmöglichen, problemlos einem Gespräch auszuweichen oder daraus herauszugehen.
Für den Konsumentenschutz ist es wichtig, dass die Bewerbung an den Standaktionen korrekt verläuft. Es ist ausdrücklich mit Corris vereinbart, dass Passant:innen auf keinen Fall bedrängt werden dürfen und dass abgeschlossene Verträge jederzeit wieder storniert werden können.
Während der Kampagne steht der Konsumentenschutz in engem Kontakt mit der Firma, den Dialoger:innen und dem Team-Coach. Es finden regelmässige Schulungen statt. Seit Beginn der Zusammenarbeit gibt es sehr wenig kritische Rückmeldungen von Konsument:innen. Dies führt der Konsumentenschutz auf den regen Austausch zwischen allen Beteiligten vor und während den Standaktionen zurück. Dazu gehört auch, dass auf allfällige berechtigte Kritik umgehend mit den nötigen Massnahmen reagiert wird.
Auf dem Stand, den Namensschildern sowie den Beitrittsformularen ist erkennbar, dass die Dialoger:innen im Auftrag handeln. Auf Nachfrage teilen die Dialoger:innen mit, dass sie im Auftrag des Konsumentenschutzes arbeiten.
- Arbeitsbedingungen von Corris-Dialoger:innen
Die Arbeitsbedingungen der Dialoger:innen sind für den Konsumentenschutz zentral, daher wurden diese seit jeher intensiv mit Corris besprochen und vereinbart. Der leistungsunabhängige Mindestlohn beträgt pro Tag Fr. 200.-. Zudem können die Dialoger:innen einen Bonus erreichen und ihre Spesen abrechnen. Der leistungsunabhängige Mindestlohn überwiegt im Vergleich zum leistungsabhängigen Bonusteil.
Die Dialoger:innen werden intensiv geschult und während der Kampagne gecoacht. Die Betreuung wurde in den vergangenen Jahren durch Corris ausgebaut. Nach drei Monaten wechseln Mitarbeitende in ein unbefristetes Vertragsverhältnis.
Der Konsumentenschutz legt grossen Wert auf eine sorgfältige und gezielte Auswahl der Dialoger:innen. Für den Einsatz bei seinen Standaktionen müssen diese bereits Erfahrung besitzen, politisch und gesellschaftspolitisch interessiert sein und ein gewisses Basiswissen mitbringen. Die Dialoger:innen werden zu Beginn der Kampagne direkt vor Ort vom Konsumentenschutz zur Organisation und den Kampagnenthemen geschult. Während der laufenden Kampagne gibt es regelmässige Treffen und Nachschulungen, bei denen offene Fragen geklärt werden und ein wechselseitiger Austausch stattfindet.
Bei Fragen und Problemen während der Kampagne können sich die Dialoger:innen jederzeit an die Geschäftsstelle des Konsumentenschutzes wenden. Das Gleiche gilt für den Fall, dass sie sich unter Druck gesetzt fühlen, oder wenn sie mit ihrem Arbeitgeber Probleme haben. Bislang kam es nie zu einer solchen Situation.
- Vorwurf des inkohärenten Verhaltens
Dem Konsumentenschutz wurde in einem Artikel des Magazins Saldo 20/2021 unterstellt, er handle inkohärent, da er vor Corris «seit Jahren warne», selber jedoch mit dieser «umstrittenen Firma» zusammenarbeite resp. die «kritisierten Dienstleistungen» nutze. Erwähnt wird ein Artikel von Juli 2019, der im Bund mit dem Titel «So geht man am besten gegen lästige Werbung vor» erschienen ist: In diesem gibt der Konsumentenschutz diverse Tipps im Umgang mit verschiedenen Instrumenten, die von NGOs eingesetzt werden, um Spenden zu erhalten. Diese Tipps stehen nicht im Widerspruch zum Verhalten des Konsumentenschutzes im Spendenmarkt. Wie bereits erwähnt, ist der Konsumentenschutz zwingend auf Spenden angewiesen und damit auch auf ausführende Dienstleister, die jedoch nach den Vorgaben des Konsumentenschutzes agieren müssen.
Dem Konsumentenschutz ist Transparenz sehr wichtig: so veröffentlicht er die Jahresrechnung inkl. Revisionsbericht und Anhang. Interessierte können sich daher fundiert ins Bild setzen über die Mittelverwendung.
Die Finanzierung der Stiftung für Konsumentenschutz
Stand September 2022