Verzugszinsen und Verzugsschaden: Was muss ich bezahlen?
Da haben Sie einmal eine Rechnung übersehen und plötzlich haben Sie eine Mahnung mit zusätzlichen Verzugszinsen und Forderungen mit Verzugsschaden in der Post. Doch welche Kosten müssen Sie wirklich zahlen und wie wird der Verzugszins berechnet?
Wann fallen Verzugszinsen an?
Geraten Sie mit einer Zahlung in Verzug, schreibt das Gesetz (Art. 104 OR) einen Verzugszins von 5 % pro Jahr vor. Der Verzugszins ist geschuldet, sobald:
- die Zahlung fällig ist (z. B. durch Frist oder Mahnung)
- es sich um eine Geldschuld handelt
- wenn Sie nichts anderes vertraglich festgelegt haben (z. B. über die AGB)
Wie wird der Verzugszins berechnet?
Damit Sie nicht zu viel bezahlen, sollten Sie den Betrag selbst nachprüfen. Beachten Sie, dass die 5 % Verzugszinsen ein Jahreszins sind. Der Verzugszins gilt für den noch offenen Betrag und wird pro Tag des Verzugs berechnet.
Beispiel:
Hauptforderung von Fr. 600.00
Verzugszins 5 % pro Jahr: Fr. 30.00
Verzugszins 5 % pro Monat: Fr. 2.50 (Fr. 30.00 / 12 Monate)
Wenn Sie einen Monat zu spät zahlen, beträgt der Verzugszins also nur Fr. 2.50 – nicht Fr. 30.00.
Was ist ein Verzugsschaden?
Zusätzlich zum Verzugszins stellen einige Gläubiger:innen Forderungen mit Verzugsschaden. In den allermeisten Fällen ist der Verzugsschaden nicht gerechtfertigt:
Das Gesetz deckt die Kosten für den Zahlungsverzug in erster Linie mit den Verzugszinsen (Art. 106 Abs. 1 OR). Die Gläubiger:in darf Ihnen nur dann einen Verzugsschaden berechnen, wenn sie wegen Ihres Zahlungsverzugs einen zusätzlichen, klar belegbaren Schaden hat.
Die Gläubiger:in muss die Kosten so gering wie möglich halten (Schadensminderungspflicht). Sie muss den finanziellen Aufwand möglichst klein halten. Engagiert sie z. B. ein Inkasso-Unternehmen (oder gar eine Anwält:in), verstösst sie gegen diese Pflicht.
Das Eintreiben von offenen Forderungen gehört zum normalen Geschäftsrisiko, weshalb Gläubiger:innen diese Kosten nicht verrechnen dürfen.
Merke: Sie müssen nur den Grundbetrag, die Verzugszinsen und vereinbarte Mahnspesen oder Gebühren zahlen. Die Gläubiger:in muss jede weitere Forderung genau angeben und mit Belegen nachweisen. Überprüfen Sie alle Posten auf der Rechnung und zahlen Sie nur, was Sie wirklich schulden.
Oriana Gubinelli, Beraterin des Konsumentenschutzes, beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema Verzugsschaden.
Was tun, wenn Ihnen ein ungerechtfertigter Verzugsschaden berechnet wird
- Teilen Sie dem Inkasso-Unternehmen mit, dass Sie mit der Berechnung des Verzugsschadens nicht einverstanden sind und dass Sie diesen Betrag nicht bezahlen werden. Verwenden Sie dazu unseren Musterbrief.
- Zahlen Sie die ursprünglich geschuldete Summe, vereinbarte Mahnspesen bzw. Gebühren und die Verzugszinsen so schnell wie möglich.
Wie verhält es sich, wenn Zusatzforderungen (Verzugsschaden, Servicegebühren etc.) in den AGB der ursprünglichen Gläubiger:in aufgeführt werden?
Die Inkassobranche versucht, in Absprache mit Anbieter:innen von Produkten und Dienstleistungen, zusätzliche Forderungen wie Verzugsschaden oder Servicegebühren als «legal» erscheinen zu lassen. Die Zusatzkosten werden dafür kurzerhand in die AGB der ursprünglichen Gläubiger:in (Lieferant:in, Dienstleister:in) aufgenommen. Oft wird dabei nur auf die AGB des Drittunternehmens (Inkassobüro) verwiesen, das die Zahlungs- oder Inkassodienstleistung erbringt. Dabei gilt es aber, Folgendes zu beachten:
- Ein blosser Verweis auf das Drittunternehmen und dessen AGB reicht nicht aus. Dessen AGB müssen unmittelbar und für Sie gut sichtbar gemacht werden, beispielsweise mit einem Link, über den man direkt zu den AGB des Drittunternehmens (Fremd-AGB) gelangt.
- Diese Fremd-AGB müssen während des Bestellvorgangs ebenfalls explizit bestätigt werden.
- Auch besteht die Möglichkeit, dass einzelne Passagen der Fremd-AGB in den AGB der ursprünglichen Anbieter:in oder Unternehmens direkt untergebracht werden.
Nur wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, können solche Zusatzforderungen überhaupt Vertragsbestandteil werden.
Aber Achtung: Auch wenn diese Zusatzkosten Teil des Vertrags sind, müssen sie klar beziffert, nachvollziehbar und angemessen sein. Gerade bei Verzugsschaden oder Administrativgebühren ist diese Voraussetzung oft nicht erfüllt. Sie können solche Forderungen deshalb selbst dann anfechten, wenn sie eigentlich Vertragsbestandteil sind.
Das Inkassounternehmen droht mit einer Betreibung
In der Regel lassen Inkassobüros nach einem Widerspruch und der Bezahlung der rechtmässigen Forderungen von weiteren Schritten ab. Es kommt jedoch vor, dass sie weiter Druck machen und sogar mit einer Beitreibung drohen. Lassen Sie sich nicht einschüchtern und zahlen Sie keinen unberechtigten Verzugsschaden. Das Bundesgericht hat gewisse Verhaltensweisen und Drohungen von Inkassobüros als unzulässig erklärt (Entscheid von 2017).
Ich werde ungerechtfertigt betrieben - was tun?
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